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RECHT Innensenator prüft Erlass zu Bleiberecht für Opfer rechter Gewalt

Damit Opfern „rechts motivierter“ Gewalt Wiedergutmachung zuteil wird

Nach dem Vorbild Brandenburgs will nun auch Innensenator Andreas Geisel (SPD) prüfen, ob Berlin abgelehnten Asylbewerbern, die Opfer rechter Gewalt geworden sind, per Erlass ein Bleiberecht gibt. Zwar gäbe es schon jetzt entsprechende rechtliche Möglichkeiten, sagte er der taz. „Ich halte einen Erlass, wie ihn Brandenburg einführen will, aber für ein starkes politisches Signal in Richtung derer, die meinen: Wer Flüchtlinge aus dem Land vertreiben will, muss sie angreifen. Da sage ich: Nein. Wer Opfer rechter Gewalt wird, genießt unseren doppelten Schutz und wird nicht abgeschoben.“

Vorige Woche war bekannt geworden, dass das Brandenburger Innenministerium am 21. Dezember auf Beschluss des Landtags seine Ausländerbehörden per Erlass angewiesen hat, bestehende rechtliche Möglichkeiten im Aufenthaltsgesetz zu nutzen, um „Opfern rechter Gewalt unabhängig von den Bedürfnissen eines Strafverfahrens ein Bleiberecht zu gewähren“. Damit solle Opfern „rechts motivierter“ Gewalt Wiedergutmachung zuteil werden. Und den mutmaßlichen Tätern verdeutlicht werden, dass ihren „Opfern durch eine Verfestigung des Aufenthalts Gerechtigkeit widerfährt und das Gegenteil dessen erreicht wird, was die Täter beabsichtigten“.

Die Berliner Innenverwaltung hatte auf taz-Anfrage erklärt, für Berlin sei ein solcher Erlass nicht notwendig, die bestehenden Ermessensspielräume des Aufenthaltsgesetzes würden bereits jetzt genutzt, nicht nur für Opfer rechter Gewalt, sondern auch anderer schwerer Gewalt- und Straftaten. Dies sieht Geisel, der neue Dienstherr der bislang CDU-geführten Verwaltung, offenbar anders.

Die Beratungsstelle für Opfer rechter und rassistischer Gewalt Reachout hält einen solchen Erlass sogar für „total wichtig“, wie Mitarbeiterin Sanchita Basu erklärt. Bislang hänge es einzig vom jeweiligen Sachbearbeiter in der Berliner Ausländerbehörde ab, ob das Ermessen zugunsten des Betroffenen genutzt werde – oder eben nicht. „Das ist sehr willkürlich.“ Ein Erlass würde dagegen grundsätzlich festlegen, wie die Behörde mit Opfern von rechter Gewalt verfährt.

Dennoch gibt es nach Ansicht von Basu offene Fragen: Sollen nur Opfer „schwerer“ Körperverletzung von der Regelung profitieren – oder auch von „leichter“? Soll es nur ein Bleiberecht geben, wenn der oder die Täter gefasst werden und ein Strafverfahren eröffnet werden kann? Und nicht zuletzt: Geht es um ein befristetes oder ein unbefristetes Bleiberecht? „Das muss man noch konkretisieren.“

Die Polizeiliche Kriminalstatistik Berlin zählt für 2015 knapp 160 Opfer „politisch motivierter Gewalt – rechts“. Das ist fast eine Verdoppelung gegenüber 2014. Susanne Memarnia

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