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„Das ist ein ganz großes Ärgernis“

Zentralrat Josef Schuster fordert Bundesregierung in Sachen Parteienfinanzierung zum Handeln auf

Foto: Thomas Lohnes
Josef Schuster

62, ist Internist und seit November 2014 Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.

taz: Herr Schuster, Sie haben sich für ein NPD-Verbot starkgemacht. Sind Sie vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts enttäuscht?

Josef Schuster: Ja, ich bin enttäuscht, dass die Partei nicht verboten wurde. Aber das Urteil bestätigt die Einschätzung, die der Zentralrat der Juden seit Langem über die NPD hat: dass es sich um eine verfassungsfeindliche Partei handelt.

Die NPD hat nach der Urteilsverkündung umgehend „Sieg“ getwittert. War das Verbotsverfahren ein Fehler?

Nein, das glaube ich nicht. Es gibt zwei wichtige Punkte in der Urteilsbegründung. Zum einen haben wir jetzt klare Leitlinien, unter welchen Bedingungen ein Verbotsverfahren zum Erfolg führen kann. Kämen wir einmal in die Situation, in der eine Gruppierung unsere Verfassung wirklich nachhaltig schädigen könnte, würde ein Verbotsverfahren wohl nicht mehr dreieinhalb Jahre dauern. Denn dann könnte das Kind schon in den Brunnen gefallen sein. Zum Zweiten gibt die Urteilsbegründung einen klaren Hinweis an den Gesetzgeber, dass es mit Blick auf die Parteienfinanzierung Handlungsspielraum gibt. Es ist ein ganz großes Ärgernis, dass Parteien wie die NPD auch noch eine staatliche finanzielle Unterstützung bekommen. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, alles zu tun, dass dies geändert wird.

Das Gericht hat anerkannt, dass die NPD verfassungsfeindliche Ziele hat, hält sie aber für zu schwach, um gefährlich zu werden. Beruhigt Sie das?

Es beruhigt mich nicht, weil wir historisch gesehen haben, wie schnell eine Partei einen gar nicht so geringen Stimmenanteil bekommen kann. Und auch jetzt sieht man, dass eine Partei wie die AfD innerhalb eines Jahres bei Wahlen zweistellige Ergebnisse erzielen kann. Wenn man sieht, wie lange ein solches Verbotsverfahren dauert, habe ich generell die Sorge, dass eine verfassungsfeindliche Partei während dieser Zeit die Möglichkeit hätte, einige ihrer Ziele bereits in die Tat umzusetzen.

Sind Rechtspopulisten wie die der AfD derzeit nicht gefährlicher als diese kleine NPD-Truppe?

Dass die AfD wie jede Gruppierung, die gegen Minderheiten hetzt, in meinen Augen eine Gefahr darstellt, steht außer Zweifel.

Welche Konsequenzen sollte die Politik aus dem Scheitern des NPD-Verbots ziehen?

Es besteht jetzt eine ganz besondere Verantwortung in der Beobachtung von Parteien und Gruppierungen mit verfassungsfeindlicher Ausrichtung, damit sich erst gar nicht eine Gefahr für unsere demokratische Grundordnung entwickeln kann.

Und wie müsste die Zivilgesellschaft in Ihren Augen auf das Urteil aus Karlsruhe reagieren?

Die Zivilgesellschaft ist noch mehr als bislang gefordert, sich aktiv gegen extremistische Bestrebungen einzusetzen – egal von welcher Seite.

Interview Sabine am Orde

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