: „Im Schuldienst nichts verloren“
Interview Missbrauchsexpertin Annette Knor über das Urteil des Gerichts gegen zwei Lehrer
arbeitet als Expertin für sexuellen Missbrauch in der Berliner Beratungsstelle des Deutschen Kinderschutzbund e.V.
taz: Frau Knor, zwei Lehrer dürfen weiter an Berliner Schulen unterrichten, obwohl bei ihnen kinderpornografisches Material gefunden wurde, hat das Verwaltungsgericht am Montag geurteilt. Wie kann das sein?
Annette Knor: Das Verwaltungsgericht wird da mit Sicherheit seine Grundlagen haben, auf dessen Basis man dieses Urteil gefällt hat. Aber aus Elternsicht etwa würde ich mich auch fragen: Was passiert da eigentlich?
Das Gericht begründet das Urteil damit, dass die gefundenen Fotos „an der untersten Grenze des Strafbaren“ liegen, etwa keine sexuellen Handlungen darauf zu erkennen sind. Also halb so schlimm?
Man muss sich klar machen: Was geschieht, damit sich einer zu Hause vor den Rechner setzen kann, um sich diese Bilder anzuschauen? Das ist ja ein organisiertes Geschäft. Die Kinder werden geschminkt, müssen sich vielleicht aufreizende Klamotten anziehen, müssen sich in bestimmten Posen hinsetzen. Die Kinder werden benutzt, sie werden abgerichtet.
Wenn man nicht verhindern kann, dass Menschen mit pädophilen Neigungen Kinder unterrichten: Was können die Schulen tun, um Missbrauch zu verhindern?
Man muss deutlich machen: Menschen mit einer pädophilen Neigung suchen sich bevorzugt Arbeitsplätze aus, wo sie mit Kindern in Kontakt kommen. Die Frage ist: Wie transparent wird dieses Thema an den Schulen gemacht? Und die Schulen müssten dazu verpflichtet werden, ein Schutzkonzept zu entwickeln. Dafür müsste es aber regelmäßige Fortbildungen geben, die die Lehrer mit Wissen und Handlungsmöglichkeiten ausstattet. Da passiert in Berlin noch zu wenig.
Was sind denn konkrete Handlungsmöglichkeiten, die Lehrer haben?
Es ist schwierig: Keiner will dem anderen zu nahe treten, es ist ein heikles Thema. Man kann da ja auch sehr leicht jemandem etwas unterstellen, was dann für diejenige Person unter Umständen weitreichende Konsequenzen haben kann. Genau dafür gibt es aber Beratungsstellen – die im Übrigen auch noch viel stärker in die Schulen gehen müssten. Da sitzen dann Experten, denen man das Gesehene schildern kann: Ich habe da dies und jenes über den Kollegen wahrgenommen – sagen Sie mir mal, wie ernst ich das nehmen muss.
Bildungssenatorin Sandra Scheeres will gegen das Urteil Berufung einlegen.
Zu Recht. Ich glaube, dass Menschen mit pädophilen Neigungen im Schuldienst tatsächlich nichts verloren haben.
Interview Anna Klöpper
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