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Rente im Verteilungskampf

Altersversorgung Nach den Wahlerfolgen der AfD hat die Große Koalition die Themen Rente und Altersmut neu entdeckt. Ihre Politik ändert sie aber nicht

Ursula Engelen-Kefer

Die promovierte Volkswirtschaftlerin war bis 2006 stellvertretende Vorsitzende des DGB und saß bis 2009 im SPD-Vorstand. An dieser Stelle schrieb sie zuletzt über die Altersarmut als Kampagnenthema der Parteien.

von Ursula Engelen-Kefer

Ein Jahr vor den Bundestagswahlen im kommenden Jahr haben die Groko-Parteien CDU/CSU und SPD die Themen Altersarmut und Rentenpolitik wiederentdeckt. Nach den Wahlschocks der jüngsten Landtagwahlen blicken sie wie das Kaninchen auf die Schlange Alternative für Deutschland (AfD). Dabei geht es zwar vordergründig um die Ablehnung der Flüchtlingspolitik, bei tieferer Betrachtung jedoch um Ärger bis Wut über die sozialen Ungerechtigkeiten.

Bei 20 Millionen Rentnern mit ihrer hohen Wahlbeteiligung ist der amtlich bestätigte massive Anstieg der Altersarmut eine politische Zeitbombe. Der Verteilungskampf zwischen solidarischer gesetzlicher Rentenversicherung und kapitalgedeckter Alterssicherung geht damit in eine neue Runde. Unter der Tarnkappe des Generationenkonflikts werden der gesetzlichen Rentenversicherung weitere finanzielle Mittel entzogen und in die Kassen der privaten Finanzbranche sowie in den Bundeshaushalt umgeleitet. Versehen ist dies mit dem Segen der christlich-sozialen Regierungskoalition.

Verkündet wird ein Anstieg der Beiträge als angeblich unausweichliche Folge für die Aufbesserung der gesetzlichen Altersrenten. Über die erheblichen finanziellen Spielräume durch Einbeziehung aller Erwerbstätigen sowie Erhöhung des Steueranteils insbesondere zur Finanzierung der milliardenschweren Mütterrente herrscht dagegen Funkstille.

Haltelinie beim Rentenniveau mit Haken und Ösen

Nun muss es die zuständige Bundesministerin für Arbeit und Soziales richten. Auch Andrea Nahles hat sich bereits lautstark geäußert. Beim Abfall des Rentenniveaus müsse eine Haltelinie eingezogen werden. Die „frohe“ Botschaft für derzeitige und zukünftige Rentner hat allerdings erhebliche Haken und Ösen. So wird die Rentenspirale per Gesetz von ursprünglich etwa Dreiviertel des Nettoeinkommens auf bereits jetzt weniger als die Hälfte stetig weiter nach unten geschraubt. Damit ist das Kernstück der dynamischen lohnbezogen Altersrente, Anstieg der Renten gemäß den Lohnzuwächsen und damit Erhaltung des Rentenniveaus, längst zerfleddert.

Die hohen Kosten für eine Verbesserung des Rentenniveaus sei den jüngeren Generationen der Beitragszahler nicht zumutbar und gefährde Wettbewerbsfähigkeit sowie Beschäftigung, lautet das jahrzehntealte Lamento aus Bundesregierung und Wirtschaft. Die Arbeitgeberverbände setzen noch eins drauf: Einer Haltelinie bedarf es vor allem bei den Rentenbeiträgen. Sie sind per Gesetz auf 20 Prozent 2020 und 22 Prozent 2030 gedeckelt. Aus dem Nahles-Ministerium wird die Altersarmut mit dem „Faktencheck“ heruntergespielt: Derzeit sind nur 3 Prozent der Rentner auf Grundsicherung im Alter angewiesen, da ihre Rente zum Leben nicht reicht.

Dabei ficht die Arbeitsministerin nicht an: Rentner mussten seit der Jahrtausendwende bereits einen Kaufkraftverlust von etwa einem Fünftel hinnehmen. Selbst amtliche Berichte weisen auf die dramatisch wachsende Altersarmut in den nächsten Jahren. Dies gefährdet die Alterssicherung gerade für die Jüngeren und damit das Vertrauen in die über Pflichtbeiträge finanzierte gesetzliche Rentenversicherung.

Fortsetzung des Dreisäulen­modells in der Alterssicherung

Mit einem statistischen Befreiungsschlag versucht die Bundesarbeitsministerin, der Rentenfalle zu entkommen. Bislang erfolgten die Festlegungen von Renten und Beiträgen bis zum Jahr 2030. Bei Fortschreibung darüber hinaus wird ein weiterer drastischer Abfall des Rentenniveaus deutlich. Hier müsse nun die Haltelinie eingezogen werden, über deren Höhe sie sich jedoch zunächst nicht äußern wolle. Allerdings kündigt sie bereits jetzt weitere Erhöhungen der Beiträge an. Klar ist jedenfalls, die Haltelinie und damit das Rentenniveau werden in jedem Fall deutlich niedriger sein als heute. An die Wiederherstellung einer Altersrente, die den Lebensstandard sichert, ist schon gar nicht zu denken. Altersarmut bis weit in die Mitte der Gesellschaft ist damit programmiert.

Die Altersarmut bis weit in die Mitte der Gesellschaft ist schon programmiert

Dafür wird das sogenannte Dreisäulenmodell weiter fortgesetzt: Lebensstandardsicherung gibt es danach nur mit betrieblichen und privaten Zusatzrenten. Bei der betrieblichen Alterssicherung ist bereits der Kompromiss mit dem Bundeskanzleramt, dem Bundesfinanzminister und auch den Tarifparteien in trockenen Tüchern. Die beitrags- und steuerfreie Entgeltumwandlung für Betriebsrenten wird auf bis zu 7 Prozent vom Bruttoeinkommen fast verdoppelt. Für kleinere Betriebe und Geringverdiener soll es zusätzliche finanzielle Förderung geben. Darüber hinaus werden auch die Bedingungen für die dritte Rentensäule, die privaten Riesterrenten, verbessert, obwohl deren Scheitern kaum zu verbergen ist. Dass hierdurch der Rentenversicherung erhebliche Beiträge und Steuern entgehen, die für ihre nachhaltige Sicherung dringend erforderlich wären, spielt offensichtlich keine Rolle.

Patchwork-Rentenreformen gehen weiter

Die Bekämpfung der weiter wachsenden Altersarmut als unerledigte Forderung aus der Koalitionsvereinbarung wird ebenso wie die angekündigte umfassende Rentenreform in den Wahlkampf gezogen und auf die nächste Legislaturperiode verschoben. Die seit Jahren überfällige Angleichung der Ostrenten an das Westniveau scheitert trotz Koalitionsvereinbarung an der Weigerung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, dies zu finanzieren. Dafür greift er für seine wahltaktische „schwarze Null“ im Bundeshaushalt immer ungenierter in die Sozialkassen. Für weitere Irritation sorgt erneut der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, der jetzt die Angleichung der Ostrenten von einer weiteren milliardenschweren Aufbesserung der Mütterrenten abhängig macht.

Fazit: Anstelle der Wiederherstellung der solidarischen Alterssicherung gehen Klientelpolitik und Patchwork Reformen weiter, wie zuletzt auch die Flexirente. Damit können die gravierenden Lücken bei der sozialen Gerechtigkeit und letztlich auch die politischen Spielräume für die AfD nicht geschlossen werden.

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