: Eine herbe Schlappe für die PiS-Regierung
Polen Parlament lehnt verschärftes Abtreibungsrecht nach massiven Protesten ab. PiS-Chef Kaczyński kündigt neue Fassung an
Aus Warschau Gabriele Lesser
Polens Frauenbewegung kann einen großen Erfolg feiern. Nach dem „schwarzen Montag“, an dem landesweit rund hunderttausend Polinnen für ihre Freiheit und Würde demonstrierten, kippten Polens Parlamentarier das totale Abtreibungsverbot. Knapp eine Woche zuvor hatten sie noch das Gesetzesprojekt der Bürgerinitiative „Stopp Abtreibung“ in erster Lesung angenommen.
Frauen sollten künftig vom ersten Tag der Schwangerschaft an entmündigt werden. Das „ungeborene Leben“ sollte von Gynäkologen, Priestern und Staatsanwälten geschützt werden – vor allem vor den werdenden Müttern, denen das Projekt grundsätzlich unterstellte, ihr eigenes Kind töten zu wollten.
Schon bislang zählt Polens Abtreibungsgesetz mit zu den strengsten in der Europäischen Union. Seit 1993 kann in Polen eine Schwangerschaft nur legal abgebrochen werden, wenn Gefahr für Gesundheit und Leben der Mutter droht, die Schwangerschaft Ergebnis einer Vergewaltigung ist oder aber der Fötus schwere Missbildungen aufweist. Der angebliche „Kompromiss“ wurde aber bereits auf gesellschaftlicher Ebene von Polens katholischer Kirche und katholischen Fundamentalisten so verschärft, dass es pro Jahr zu nicht einmal 1.000 legalen Schwangerschaftsabbrüchen kommt.
Selbst nach pränatalen Untersuchungen wird den Schwangeren oft nicht rechtzeitig gesagt, dass der Fötus schwer geschädigt zur Welt kommen wird. Die Folge: Schätzungen zufolge werden zu den knapp 1.000 legalen Schwangerschaftsabbrüchen in Polen weitere 100.000 bis 150.000 in Privatpraxen „schwarz“ durchgeführt. Mehr und mehr polnische Schwangere fahren zur Untersuchung ins Ausland, da sie das Vertrauen zu den heimischen Gynäkologen verloren haben.
Das massiven Proteste der Polinnen, denen sich auch zahlreiche Männer anschlossen, richteten sich gegen die geplante Degradierung der Frau zu einer Gebärmaschine ohne Würde und Entscheidungsbefugnis. Selbst nach einer Fehlgeburt sollte die Frau künftig nachweisen, dass sie nicht selbst nachgeholfen hat. Eine Schwangere sollte nicht mehr selbst entscheiden können, ob sie ein Kind zur Welt bringen wollte, das kurz nach der Geburt sterben würde.
Das neue Gesetz sollte die Frauen dazu zwingen, jede Risikoschwangerschaft auszutragen und auch schwerstmissgebildete Kinder zu gebären. Auch Vergewaltigungsopfer sollten künftig das „Geschenk Gottes“ in jedem Fall austragen. Bei einem Abbruch sollten den vergewaltigten Frauen höhere Haftstrafen drohen als die Vergewaltiger normalerweise in Gefängnissen sitzen.
Die schwarz gekleideten Frauen trauerten am „schwarzen Montag“ um ihre Freiheit und Würde. Es war keine Demonstration für „Abtreibung auf Wunsch“, auch wenn katholische Fundamentalisten versuchten, dies so darzustellen. Im Sejm, dem polnischen Abgeordnetenhaus, kündigten Beata Szydło wie auch PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński an, dass das Gesetzesprojekt der Bürgerinitiative „Stopp Abtreibung“ zwar verworfen werde, der „Schutz des ungeborenen Lebens“ aber ein wichtiges Ziel der PiS bleibe. „Wir haben hier mit einem gigantischen Missverständnis zu tun“, sagte er vor der Abstimmung im Sejm. Die PiS werde ein eigenes und besser durchdachtes Gesetz vorbereiten.
Joanna Mucha, frühere Sportministerin und heute Abgeordnete der oppositionellen Bürgerplattform, warnte Kaczyński und seine PiS-Anhänger: „Polnische Frauen werden es Ihnen nicht erlauben, sie wie Schafe ins Schlachthaus zu führen. Die Herde wird Sie niedertrampeln.“
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