Bundespräsidentenwahl in Österreich: Die Lasche klebt einfach nicht

Es ist die Posse des Jahrzehnts. Die Wiederholung der Wahl des Präsidenten muss noch einmal verschoben werden. Und schuld ist ein Brief.

Menschen laufen vor einem Wahlplakat Norbert Hofers vorbei

Österreicher, wollt ihr ewig wählen? Foto: reuters

WIEN taz | Die Wiederholung der Bundespräsidentenstichwahl in Österreich wird verschoben. Diese Entscheidung dürfte Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) am Montag verkünden. Alles deutet derzeit darauf hin, dass der Wahltermin 2. Oktober nicht zu halten ist. Der Grund dafür: schadhafte Umschläge für die Briefwahl.

Es begann mit vereinzelten Kuverts, die in Vorarlberg verschickt wurden: Die Lasche ließ sich nicht zukleben. Die Stimme von mindestens einer Wählerin wurde annulliert. Dann tauchten auch in Wien und anderen Wahlkreisen schadhafte Kuverts für die Briefwahl auf. Manche öffneten sich auf dem Transport, andere lösten sich an der Seite auf.

Ein Problem mit anfangs anekdotischem Charakter wurde schnell zur Staatsaffäre, die wohl die Wiederholung der Stichwahl anfechtbar machen würde. Eine Verschiebung erscheint Verfassungsjuristen und jetzt auch Politikern als einziger Ausweg. Innenminister Sobotka sagte am Samstag: „Können wir die Wahl so durchführen, dass sie nicht angefochten wird? Schaut nicht so aus, dass wir das zusammenbringen.“ Auch Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) sah in einem Radiointerview keinen anderen Ausweg.

Alexander van der Bellen, der von den Grünen unterstützte Sieger der annullierten Stichwahl vom 22. Mai, sagte am Freitag bereits seinen Wahlkampfauftakt ab. Sein Rivale Norbert Hofer nützte das Wirrwarr für die Verbreitung einer Verschwörungstheorie. Bei seinem Auftritt in der oberösterreichischen FPÖ-Hochburg Wels verbreiteten er und FPÖ-Chef Heinz Christian Strache die These, SPÖ, ÖVP, die Grünen und die Neos hätten sich „im Hinterzimmer“ auf eine Verschiebung geeinigt, um Hofer zu schaden. Wider besseres Wissen behauptete Strache, schadhafte Umschläge könnten einfach ausgetauscht werden, wie bei einer Nachwahl im Wiener Zweiten Bezirk.

In den sozialen Medien werden T-Shirt-Aufdrucke „Ich war dabei! Bundespräsidentenwahl 2016–2019“ verbreitet

Anders als die Wiener Wahlordnung lässt das aber die Bundeswahlordnung nicht zu. Sein origineller Vorschlag, einfach auf die Briefwahl zu verzichten, erhielt Applaus von der eigenen Klientel. Van der Bellen hatte bei den Briefwählern einen Vorsprung von fast 175.000 Stimmen, die ihm die entscheidende Mehrheit brachten.

Originell auch ein Mitarbeiter des Innenministeriums, der über die Wahl-Hotline den Rat gab, schadhafte Kuverts mit Uhu Stic zu reparieren, aber sich nicht dabei erwischen zu lassen. Denn jede Manipulation des Umschlags macht die Stimme ungültig.

Wortspiele und metaphorische Wortschöpfungen wie Würstelrepublik sorgen in Medien und Gesellschaft für Erheiterung. T-Shirt-Aufdrucke „Ich war dabei! Bundespräsidentenwahl 2016–2019“ werden in den sozialen Medien verbreitet. Die Präsidentenwahl droht in die Endlosschleife zu geraten.

Denn die Verschiebung muss per Bundesgesetz beschlossen werden. Wenn man alle Fristen und die Weihnachtsfeiertage berücksichtigt, wird die Vereidigung des künftigen Bundespräsidenten, vielleicht aber auch der Wahlgang, erst nach dem Jahreswechsel stattfinden. Die Regierung will dieses Gesetz nutzen, um das Wahlregister zu bereinigen. Denn seit der Stichwahl sind rund 30.000 Wahlberechtigte gestorben und um die 50.000 haben das Wahlalter von 16 Jahren erreicht. Vielleicht ein Vorteil für den Grünen.

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