Wahlkampf in Österreich: Trumps Geist in Wien
Es ist das erste TV-Duell des zweiten Wahlkampfes zwischen Hofer und Van der Bellen. Der US-Triumph der Rechten schwingt mit.
Schauplatz war der junge Sender oe24.tv, der aus dem Gratis-Boulevardblatt Österreich des Medienunternehmers Wolfgang Fellner hervorgegangen ist. Fellner machte die Moderation zur Chefsache und stellte Fragen, die von Lesern/Sehern seiner Medien eingeschickt wurden.
Sie gaben dem FPÖ-Kandidaten Hofer neuerlich die Gelegenheit, seine einst erhobene Forderung nach einem EU-Austrittsreferendum zu relativieren. Nur wenn die Türkei aufgenommen oder die EU in einen Zentralstaat verwandelt würde, hält er jetzt eine derartige Initiative für notwendig. Umfragen nach dem Brexit haben nämlich ergeben, dass in Österreich trotz aller EU-Skepsis keine Sehnsucht nach einem Austritt besteht.
Seinen Rivalen versuchte Hofer als gefährlichen Kommunisten und als „Kandidaten der Hautevolee“ darzustellen. Seine Beweise: Van der Bellen hatte einmal erzählt, vor 50 Jahren bei einer Gemeinderatswahl in Innsbruck die KPÖ „als einzig erkennbare Opposition“ gewählt zu haben. Außerdem hat die KPÖ eine Wahlempfehlung für ihn abgegeben.
Spitzenpolitiker, Künstler – alles „Hautvolee“
Zur Hautevolee zählt die FPÖ alle Spitzenpolitiker und Künstler, die sich als Van-der-Bellen-Wähler deklariert haben. Darunter Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ), Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) und die meisten politisch engagierten Kunstschaffenden.
Für Hofer hat sich außer dem fast nicht mehr existenten Team Stronach keine politische Kraft ausgesprochen. Ein Unterstützungskomitee mit Promis hat er nicht. So inszeniert sich der Berufspolitiker als Mann des Volkes.
Hofer ließ seine Wertschätzung für Donald Trump erkennen, während der ehemalige Grünen-Chef seine Vorbehalte gegen den Heleden der Wutwähler nicht ablegen will.
Hofer strebt eine Annäherung an Russland an und will das Freihandelsabkommen CETA mit Kanada unter keinen Umständen unterschreiben, Van der Bellen erst, wenn alle Bedenken hinsichtlich Schiedsgerichtsbarkeit sowie Sozial- und Umweltstandards ausgeräumt sind.
Beim Onlinevoting, an dem sich rund 10.000 Personen beteiligten, siegte Hofer 54:46. 33 Prozent der User gaben an, dass das Wahlduell auf oe24.tv einen Einfluss auf ihre Wahlentscheidung am 4. Dezember hat. In den Umfragen liegen die beiden Kopf an Kopf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Umwälzungen in Syrien
Aufstieg und Fall der Familie Assad
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“