piwik no script img

Position Die Rechtspopulisten haben nun ihren Platz. Trotzdem tut die CDU, als sei die AfD ein MissverständnisDie gehen nicht mehr weg

Aus Magdeburg, Dortmund und Berlin Christina Schmidt

Das Dilemma der CDU manifestiert sich in drei Sätzen. Der erste lautet: „Die Vollverschleierung muss in Deutschland immer und überall verboten werden.“ Der zweite: „Sie ist ein Integrationshindernis und mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.“ Der dritte: „So sieht es auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.“ Gesagt hat diese drei Sätze Lorenz Caffier, Innenminister in Mecklenburg-Vorpommern, der aber gerne mehr wäre als das – Ministerpräsident.

Das Dilemma ist: Geschrieben stehen sie im Grundsatzprogramm einer anderen Partei. Der dritte Satz lautet da: „Ein Verbot ist daher notwendig und nach einem Urteil des EuGH rechtmäßig.“ Der zweite: „Burka oder Niqab errichten eine Barriere zwischen der Trägerin und ihrer Umwelt und erschweren damit die kulturelle Integration und das Zusammenleben in der Gesellschaft.“ Und der erste: „Die AfD fordert ein allgemeines Verbot der Vollverschleierung (...) in der Öffentlichkeit und im öffentlichen Dienst.“

Caffiers Sätze fallen im August, die AfD betont ihre noch mal im Mai. Es herrscht Endspurt im Wahlkampf, dem vierten auf Landesebene, seit Deutschland über Integration und Flüchtlinge debattiert, die Macht der Bundeskanzlerin zum ersten Mal zu schwinden droht – und die AfD sich als neue Partei rechts der CDU einrichtet. Weil sie bleiben will. Und weil man in der Partei inzwischen weiß: Dass sie bleiben kann. In Mecklenburg-Vorpommern liegt die AfD in Umfragen nur knapp hinter der SPD und vor der CDU. Im Wahlkampf müssen sich die anderen Parteien positionieren, Lorenz Caffier macht das mit Sprüchen wie: „Es ist, als ob Mekka in Deutschland wäre.“ Wahlkampfstrategie? Oder die neue Linie seiner Partei?

Antworten darauf, wie sich die CDU zur neuen Konkurrenz verhält – einer Partei, die ihr Wähler, Personal und vor allem Themen abjagt –, muss man suchen. Es gibt keine offiziellen, kein Gremium, kein Spitzenpersonal, das sich mit der Frage auseinandersetzt: Überlässt die CDU der AfD die Stammtische?

Es ist der 2. Juni, als Markus Kurze ein wenig ratlos im Landtag von Sachsen-Anhalt sitzt, dort ein neuer Stil Einzug hält. Kurze, mit fülligem Bauch und viel Gel im schwarzen Haar; Frau, zwei Kinder, sagt, Homosexualität und Patchworkfamilien seien okay, aber müssten ja nicht schon im Kindergarten thematisiert werden. Er ist Landtagsabgeordneter der CDU, zum vierten Mal gewählt. Gerade hat er den Platz in der ersten Reihe eingenommen, ist parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion geworden. Er will den Ton angeben.

Doch ohne viel sagen zu müssen, hat das die AfD übernommen. Sie ist mit 25 Abgeordneten im Landtag vertreten, zum ersten Mal in so großer Zahl in einem Parlament.

Der AfD-Fraktionschef verlässt den Plenarsaal

Es ist erst der Anfang der Legislaturperiode, der wiedergewählte CDU-Ministerpräsident hat soeben seine Regierungserklärung abgelesen. Ein Moment, in dem sich die Fraktionen eines neuen Landtags präsentieren, bei der CDU sieht das so aus: Reihe 5, Abgeordneter Scheurell wischt über das iPad. Reihe 4, Abgeordneter Krause verlässt den Plenarsaal, die Zeitung in der Hand. Keindorf tippt. Zimmer tippt. Der Abgeordnete Feußner betritt den Plenarsaal. Szarata liest auf seinem iPad. Philipp liest auf seinem iPad. Einige Fraktionsmitglieder klatschen nicht, andere sind nicht mal anwesend. Dann hat die AfD ihren Auftritt.

Fraktionschef André Poggenburg springt auf und läuft aus dem Saal, 24 Männer und Frauen folgen ihm. „Die AfD beruft sich hierbei auf Paragraph 0 – ziviler Ungehorsam!“, ruft er. Poggenburg hatte den Antrag gestellt, die Sitzung zu unterbrechen, um vor dem Landtag an einer Demonstration teilzunehmen. Politik findet nicht nur in Parlamenten statt!, ruft er.

Wie umgehen mit der AfD?„Jetzt müssen wir erst mal schauen, wer die sind“Markus Kurze, CDU-Landtagsabgeordneter in Sachsen-Anhalt

Schickt doch einen Vertreter zu den Demonstranten, antwortet man in den anderen Fraktionen. Die AfD-Fraktion verlässt geschlossen und demonstrativ empört den Saal.

Zurück bleiben verdutzte Routineparlamentarier wie Markus Kurze, die sich fragen müssen: Unterbrechen sie die Sitzung? Stimmen sie in Abwesenheit der AfD schnell über ein paar Anträge ab? Auf Muskelspiele mit Muskeln antworten?

Die AfD macht Politik wie einen Facebook-Post, ist immer auf der Suche nach der wirksamsten Provokation. Plötzlich sitzen Populisten im Parlament und bringen die gewohnte Arithmetik durcheinander. In Sachsen-Anhalt heißt das: Der Ministerpräsident, Reiner Haseloff, einziger CDU-Vertreter, der bei den drei Landtagswahlen im März gewonnen hat – gerade so. Die Wiederwahl zum Ministerpräsidenten hat er erst im zweiten Anlauf geschafft. Eine Handvoll Stimmen fehlten ihm, vermutlich in den eigenen Reihen.

Die Koalition: Ein Zweckbündnis aus CDU, SPD und Grünen, Kenia-Koalition getauft, Haseloff hat es gegen den Willen vieler aus seiner Fraktion gebildet, die auch gerne mit der AfD verhandelt hätten.

Die AfD: Größte Oppositionspartei, noch vor den Linken. Prominenteste Mitglieder: André Poggenburg, der Merkels Politik für den Amoklauf eines 18-Jährigen in München verantwortlich macht. Und Hans-Thomas Tillschneider, der Pegida das Bundesverdienstkreuz verleihen will.

Mittagspause im Magdeburger Landtag. Markus Kurze sitzt im Schatten vor dem Gebäude, als er sagt, was Politiker aller Parteien schon gesagt haben. „Wir wollen nicht in Reflexe verfallen.“ Oder: „Wir wollen die AfD inhaltlich stellen.“ Er sagt aber auch: „Man könnte schon das Gefühl haben, dass die in Berlin den Ernst der Lage noch nicht erkannt haben.“ Kurze hat eine Funktion im Parlament, er könnte seine Fraktion zur Geschlossenheit bewegen. Nur: Will er das? Soll er? Letztlich sagt er einen bemerkenswerten Satz: „Um ihnen zustimmen zu können, müssen die Anträge der AfD in sich schlüssig sein.“ Eigentlich sagt er also: Seine Fraktion erwägt, mit den Rechtspopulisten zusammenzuarbeiten. Das ist nicht seine Einzelmeinung.

Der Landesverband der CDU in Sachsen-Anhalt gilt als besonders konservativ. Ministerpräsident Haseloff hatte sich im Wahlkampf lange vor den Spitzenkandidaten der anderen Länder von Angela Merkel abgegrenzt und eine Obergrenze für Geflüchtete gefordert – eine populistische Forderung, damals ein Novum. Viele vermuten, Haseloff habe damit sein Amt verteidigt. Gerade so.

Auch Kurze musste um sein Direktmandat kämpfen: Statt 37 Prozent wie vor fünf Jahren bekam er nur 29 Prozent der Stimmen. Sein Konkurrent von der AfD holte aus dem Stand 23 Prozent. Ohne Vorerfahrung, ohne richtigen Wahlkampf: Die AfD ist ein Phantom, entstanden aus Unzufriedenheit und Verunsicherung. Und die spürt man auch bei Kurze.

Im April, kurz vor Ende der Koalitionsverhandlungen, stand er einmal auf dem Domplatz, zwischen Bauern, Jägern und der Parole, dass die Landbevölkerung vegetiert, wenn Grüne Ideologie wuchert. AfD-Anhänger hatten das so auf Plakate geschrieben, die sie nun hochhielten. Kurze sagt, seine Wähler erwarten, dass er sie gegen die Umweltpolitik der Grünen verteidigt. Und dafür muss er gemeinsam mit AfD-Leuten auftreten? Zufall, meint er, und dass er der AfD seine Themen ja nicht überlassen könne.

Denn die alte Routine in der CDU sitzt, für die Neuen haben sie noch keine. Ideen der Linken: müssen abgelehnt werden. Der Politikstil der Grünen: kann man schon mal gegen demonstrieren. Aber die AfD? „Jetzt müssen wir erst mal schauen, wer die sind“, sagt Kurze.

An der Tür eines AfD-Büros im Landtag klebt lange ein Aufkleber. „Merkelmussweg“ steht darauf, in Frakturschrift.

Dortmund, China-Restaurant mit Buffet. Thorsten Hoffmann platziert Eierreis, Hähnchen und frittierten Fisch auf einem Teller, Cola Light dazu. Schräg gegenüber liegt das Polizeirevier, in dem er gearbeitet hat, bis er 2015 als Nachrücker in den Bundestag einzog. Der Polizist ist jetzt Mitglied der Unionsfraktion in Berlin.

Davor: Ermittlungen gegen organisierte Kriminalität. Libanesische Clans, osteuropäische Prostituierte, Rocker, Rotlicht, Schusswaffen. „Alles, was Sie aus dem Fernsehen kennen, hab ich erlebt“, sagt Hoffmann. „Alles“.

Thorsten Hoffmann, Bürstenschnitt, die Statur eines Mannes, der es mal mit den Harten aufnahm, ist einer von denen, die Erfahrung mit Politikern von rechts außen in einem Parlament haben. Er sitzt auch im Stadtrat von Dortmund. Neben ihm, Reihe 4, Platz 102, saß Michael Brück, der Abgeordnete der rechtsextremen Partei Die Rechte. Wie war das, neben einem Neonazi? „Extrem schlimm.“

Hoffmann stemmt sich gegen rechts. Dem rechtsextremen Abgeordneten gibt er nicht die Hand, vermeidet jede Kommunikation. Er ist dabei, wenn Dortmunder gegen Nazi-Aufmärsche demonstrieren. Das bringt Unruhe in seine Partei. Wir sind doch aber auch rechts, hatte die Junge Union sich bei ihm beschwert. Hoffmann ist das egal, denn Hoffmann will vor die Lage kommen, so sagt er das. Polizeijargon. Wie kommt seine Partei „vor die Lage“?

Thorsten Hoffmann begrüßt es, dass seine Partei sich für Sicherheit einsetzt. Mehr Polizei, mehr Überwachung, schnelle Abschiebung straffälliger Geflüchteter, er ist auf Parteilinie. Burkaverbot? Klar, darüber sollte man reden. Im Bundestag sitzt er im Innenausschuss und im Parlamentarischen Kontrollgremium; jetzt in Dortmund sitzt er im Auto, fährt durch die Stadt und ist ganz der Polizist.

„Ich habe immer zu ausländischen Hochkriminellen, auch Mördern gesagt: In Deutschland musst du im Kopf Deutscher sein – im Herzen darfst du Türke oder Libanese oder sonst was bleiben.“ Das ist seine Antwort auf Integrationsfragen. Er biegt in die Mallinckrodtstraße ein, im Norden der Stadt, frisch renovierte Altbauten, ein Reisebüro mit Sonderangeboten für die Türkei neben Handyshops. Hoffmann sieht überall Tat­or­te. Er hält vor einem Laden, dessen Rollläden heruntergelassen sind. Davor ein Gedenkstein, grauer Marmor, er erinnert an Mehmet Kubaşık, eines der Opfer der rechtsextremen NSU-Terroristen. Lange hieß es, er sei in Drogengeschäfte verwickelt gewesen, mal soll er PKK-Mitglied gewesen sein. Hoffmann sagt, er ist zu der Familie gefahren, hat versucht zu erklären, warum die Polizisten nicht auf rechtsextreme Täter kamen. Die Stadt, das Land, hatten das versäumt, Hoffmann hatte daran gedacht.

Wahlen und Werte

Die AfD: Bisher ist die AfD in acht Landesparlamenten vertreten, am stärksten in Sachsen-Anhalt mit 25 Abgeordneten, in Sachsen und Rheinland-Pfalz sitzen je 14 Vertreter, in Brandenburg 10. Bei der Wahl zum Bundestag bekäme die AfD nach jüngsten Umfragen zwischen 10 und 14,5 Prozent.

Mecklenburg-Vorpommern: Im Auftrag des Magazins Cicero hat das Meinungsforschungsinstitut Insa in dieser Woche Umfragewerte für die Landtagswahl am Sonntag ermittelt. Sollten diese stimmen, hängt die AfD die CDU ab. Mit 23 Prozent würde sie aus dem Stand zweitstärkste Kraft hinter der SPD – die nur noch 28 Prozent erreichen würde. Insa wird als AfD-nah kritisiert.

Was, wenn die AfD will, was im CDU-Programm steht?

Er glaubt, dass Politik viel mit seiner Arbeit als Polizist gemein hat: „Bevor wir jemanden festnehmen konnten, mussten wir uns fragen: Warum macht der das?“ Fragen. Ernst nehmen. Analysieren. Und so den Gegner erwischen, bevor es zu spät ist. Jetzt, sagt Hoffmann, sind die Leute von der AfD noch Rechtspopulisten. Aber das verschiebe sich ja immer weiter.

Was kann seine Partei ihr also entgegensetzen? „Wenn Thomas de Maizière neue Maßnahmen vorschlägt, halte ich die für überlegenswert. Aber wir müssen auch gucken, was haben wir schon geschaffen. Das dauert natürlich auch, bis das umgesetzt ist.“ Hoffmann will ermitteln, nicht ständig fordern wie der Innenminister. Er will mit Staatsanwälten und Richtern darüber reden, warum so viele Verfahren gegen ausländische Straftäter gar nicht erst eröffnet werden, statt eine Verschärfung des Ausweisungsrechts zu debattieren. Oder darüber nachdenken, wie mit denjenigen umzugehen ist, die nicht ausgewiesen werden können. Populismus, sagt er, bringe doch nichts.

Wenn Michael Brück, Hoffmanns Nebensitzer im Stadtrat von Dortmund, auftritt, verlassen viele Abgeordnete den Saal. Bei einem Einzelnen geht das. Aber auch noch, wenn 25 von ihnen die zweitgrößte Fraktion bilden, so wie in Sachsen-Anhalt? Was, wenn es um den Bau neuer Straßen geht, statt um Geflüchtete oder Moscheen? Wenn sie fordern, was so auch im Programm der CDU steht? Nordrhein-Westfalen wählt im Frühjahr. Herr Hoffmann, haben Sie und ihr Landesverband eine Strategie, wie Sie mit der AfD umgehen? „Die müssen wir nun gemeinsam überlegen und umsetzen.“ Und als ginge es schlicht darum, ein großes Missverständnis zwischen Wählern und Gewählten aufzuklären, sagt er noch: „Ich hoffe, dass die sich selbst enttarnen.“ Die von der AfD. Was, wenn nicht?

In Bremen ist die AfD im Frühjahr 2015 mit vier Abgeordneten in die Bürgerschaft eingezogen. Übrig ist noch: einer. Den versucht sein Landesverband nun auszuschließen. Bei der Wahl hat die AfD 5,5 Prozent geholt. Laut Umfragen würde sie 11 Prozent erreichen. Die Rechtspopulisten erst mal kennenlernen, warten, bis die Partei sich entzaubert? Was sagt man eigentlich in Berlin?

CDU-Parteizentrale, fünfter Stock. Peter Tauber, der CDU-Generalsekretär nimmt Platz an einem Tisch aus grobem Holz, die Vase mit Blumen wie vom Feld gepflückt, schiebt er zur Seite, „ich freue mich“, sagt er über das Gespräch. Tauber ist etwas wie die Verkörperung der CDU-Identitätskrise. Unverheiratet, er hat einen Instagram-Account, auf dem er Fotos von sich in T-Shirt und mit Käppi postet und ihm Kommentare wie diese rausrutschen: „Sie sind so dumm das (sic!) es brummt“.

Eigentlich war er als Generalsekretär angetreten, ein Zukunftskonzept für die CDU zu erarbeiten. Dann ertönten die Fragen der Flüchtlingspolitik und die Zukunftsfragen lauteten nicht mehr: Braucht jedes CDU-Mitglied eine E-Mail-Adresse? Sondern: Wer sind wir, die CDUler? Tauber sagt: „Das ist, was es jetzt so spannend macht: 850.000 Flüchtlinge führen dazu, dass sich die Deutschen damit auseinandersetzen müssen, was sie eigentlich ausmacht.“ Er sagt nicht: Dass die AfD die CDU zwingt, sich genau diese Frage zu stellen. Was macht sie aus? „Wir haben uns von Anfang an mit der AfD auseinandergesetzt und brauchen keine neue Strategie. Es gibt keine Zusammenarbeit. Weder auf Bundes- noch auf Landesebene. Und auf kommunaler kenne ich auch keine.“

Widerspricht das nicht der Haltung der Abgeordneten in Sachsen-Anhalt, bei guten Anträgen mit der AfD zu stimmen?

„Ich stimme weder mit der Linken noch mit der AfD – schon aus Prinzip“, sagt Tauber.

Und das Papier einiger Bundestagsabgeordneter, des Berliner Kreises, die fordern, Deutschland dürfe kein islamisches Land werden, als wolle das irgendwer durchsetzen?

„Der Berliner Kreis repräsentiert nicht die CDU.

Und die brandenburgische Landtagsabgeordnete, die bei AfD-Veranstaltungen auftritt?

„Die Haltung der CDU Brandenburg zur AfD ist eindeutig.“

Hört man dem Generalsekretär zu, scheint es, als sei eine neue Partei auf dem Spielfeld kein Problem – auch nicht, wenn sie mit populistischen Forderungen Stimmung macht. „Meine Partei gibt es seit 70 Jahren“, sagt er. „Ich fang doch nicht an, weil da ein paar rechte Spinner auftauchen, meine Überzeugung neu auszurichten.“

Innerhalb seiner Partei passiert das längst. Im Brandenburgischen Kreistag Elbe-Elster hatte die CDU einen AfD-Politiker in ihre Fraktion aufgenommen – und erst im Juni ausgeschlossen. Und der Berliner Kreis, den Tauber nicht für repräsentativ hält, ist ein Zusammenschluss konservativer Politiker der Union, darunter Erika Steinbach und Wolfgang Bosbach.

Im Foyer der Parteizentrale steht eine blaue Wand. „Mitte“ steht darauf, dorthin stellt sich Tauber, wenn er vor die Presse tritt. Er glaubt, seine Partei stünde dort, in der Mitte. Er wünscht sich, „dass die Mitte sich emotional auflädt, um denen ganz links und rechts und jedem Radikalismus entschlossener entgegenzutreten, als wir es in der Vergangenheit gemacht haben.“ Tauber ist einer der vordersten Redner in der Burkadebatte – als Sprachrohr der Bundeskanzlerin.

Peter Tauber, der Generalsekretär der größten deutschen Volkspartei, sitzt in seinem Büro, er schaut auf Botschaften, Hotels, eine Kreuzung, auf der immer viel Verkehr ist. Busse mit Arbeitnehmern fahren dort von Berlin-Kreuzberg nach Tiergarten, Touristen flanieren mit Reiseführern in der Hand. Peter Tauber blickt auf Deutschland. „Es stimmt doch gar nicht, dass wir nichts für die Leute tun“, sagt er. Steigende Renten, steigendes BAföG, höhere Löhne, Mütterrente. „Wir sind eines der reichsten Länder der Welt.“

Die CDU hat keine Strategie dafür, wie sie mit der AfD umgehen will. Es gibt kein Positionspapier für die praktischen Fragen, die sich Markus Kurze in Magdeburg und Thorsten Hoffmann in Dortmund stellen. Die AfD zieht nach und nach in alle Parlamente ein – und egal, wie unprofessionell sich einzelne Abgeordneten geben, sie bleiben. Sie halten Reden, stellen Anträge, verbreiten Botschaften. Sind da.

Wieder in Magdeburg, Landtag, Verwaltung. Ein Streit ist entfacht. Hat der AfD-Abgeordnete Andreas Gehlmann das wirklich im Plenarsaal gerufen: offen gezeigte Homosexualität sollte unter Strafe stehen? Er dementiert. Andere Abgeordnete wollen es gehört haben. Die Stenografen prüfen. Wochen vergehen, in denen Gehlmann versucht, das Zitat aus dem Protokoll zu streichen. Am Ende wird er so offiziell zitiert.

Facebook, ein Foto mit Männern, die gegen eine weiße Mauer lehnen. Das Bild kursiert schon lange: als Beleg dafür, dass Muslime an eine Kirche urinieren. Oliver Kirchner, AfD-Abgeordneter, postet es Mitte August auf seiner Pinnwand. „Was passiert, wenn wir uns morgen dafür an einer Moschee verabreden?“, kommentiert Mario Lehmann, AfD-Abgeordneter. „Wir können es ja nächste Woche mal ausprobieren“, antwortet Kirchner. An eine Moschee zu urinieren.

Die Männer auf dem Foto, stellt sich bald heraus, sind Christen und urinieren nicht an eine Kirchenmauer. Sie beten.

Die Töne, die Deutschlands Parlamentarier sagen dürfen, sind neu. Und die CDU hört ihnen zu.

Christina Schmidt, 30, ist taz-Reporterin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen