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Nimm dies, Angela

SPD Vizekanzler, Wirtschaftsminister, Parteichef. Eigentlich hat Sigmar Gabriel genug zu tun. Doch jetzt hat der SPD-Vorsitzende noch einen neuen Job für sich entdeckt

Einer hat hier den Durchblick: Gabriel besucht im Juni ein Integrationszentrum in Goslar Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

von Ulrich Schulte

BERLIN taz | Sigmar Gabriel hat kein Problem damit, mehrere Rollen in seiner Person zu vereinen. Mal gibt er den staatstragenden Vizekanzler, mal den Wirtschaftsminister, der den deutschen Wohlstand im Blick hat, mal den Parteichef, der sich vor allem für die Umfragewerte der SPD interessiert. Seitdem er aus dem Sommerurlaub wieder da ist, kultiviert Gabriel eine neue Rolle, nämlich die des rauflustigen Wahlkämpfers.

Es ist mehr als auffällig: Ga­briel nutzt im Moment jede Gelegenheit, der Kanzlerin und ihrer Union Fehler ­vorzuhalten. Der Wahlkampf 2017, so scheint es, ist für den 56-Jährigen eröffnet.

Am Sonntag attackierte er zum Beispiel Angela Merkels Flüchtlingspolitik. Es nutze nichts, das „Wir schaffen das“ ständig zu wiederholen, sagte Gabriel dem Deutschlandfunk – „und dann immer wieder doch nur sehr zögerlich die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass dieses Land es auch wirklich packt“. Mit CDU und CSU habe es zu lange gedauert, Geld für Sprachkurse, für überlastete Kommunen oder für mehr Polizei bereitzustellen.

Gabriel betritt mit seiner Kritik an Merkel einen schmalen Grat. Er setzt sich nicht von Merkels Politik offener Grenzen in Europa ab, wie es der CSU-Chef tat. Aber er wirft der Kanzlerin vor, nicht gründlich und schnell genug für Integration zu sorgen. Damit trifft er einen Punkt. Merkels Flüchtlingspolitik ist der CSU verhasst, auch wichtige Teile der CDU sind mehr als skeptisch. Merkel muss auf diese Strömung Rücksicht nehmen.

Gabriel versucht sogar, mit der Union in ihrer Kernkompetenz zu konkurrieren. Genüsslich rieb er CDU-Sicherheitspolitikern nach den Anschlägen in Würzburg, München und Ansbach unter die Nase, dass er dem Bundesinnenminister 3.000 Stellen für die Bundespolizei in den Haushalt verhandelt habe. Die Union habe das Thema Innere Sicherheit nicht für sich gepachtet, so die Botschaft. Gleichzeitig geißelt er Rufe aus der Union nach Verboten der Burka oder der doppelten Staatsbürgerschaft als „Symbolpolitik“ – und wehrt sich strikt gegen den Bundeswehreinsatz im Innern.

Der Wahlkampf 2017, so scheint es, ist für Sigmar Gabriel ­bereits eröffnet

Eigentlich arbeitet Gabriel gut mit der Kanzlerin zusammen. Dass er sie persönlich ins Visier nimmt, muss man professionell sehen. Merkel wird aller Voraussicht nach 2017 erneut für die CDU antreten. Und Ga­briel bringt sich als Alternative in Stellung. Viele in der SPD gehen davon aus, dass er die SPD-Kanzlerkandidatur selbst übernehmen wird. Er nimmt Weichenstellungen für den Wahlkampf vor, er versucht, mit Interviews mit seiner Frau und Ausflügen in seine Heimatstadt Goslar als Mensch sichtbarer zu werden. Entsprechend aufmerksam werden seine Sticheleien verfolgt – in der SPD und in der Union.

Auch beim umstrittenen Freihandel geht er auf Abstand zu Merkel. Er glaube nicht, dass ihr Wunsch, „noch in diesem Jahr ein Abkommen mit den USA zu haben, irgendeine Chance hat“, sagte er (s. Text unten). Gabriel, ein TTIP-Befürworter, positioniert sich als Realist, der auf Lücken im Vertragstext hinweist. Er gibt den SPD-Linken Zucker, die TTIP ablehnen. Und er stellt Merkel als realitätsfremde Träumerin hin. Der SPD-Wahlkampfchef ist in Hochform.

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