: Auf Kreuzweg für Frieden und Liebe
Ukraine Pilger der orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats versammeln sich in der Hauptstadt
Aus Kiew Bernhard Clasen
Peinlich genau durchwühlt ein Polizist mit schusssicherer Weste an der Kiewer U-Bahn-Station Arsenalna – unweit des Höhlenklosters, des Zentrums der orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats – einen Mülleimer. Sein Kollege beobachtet ihn, wie er Teil für Teil aus dem Papierkorb zieht. Dann machen sich die beiden an einem Gullydeckel vor der Straßenkreuzung zu schaffen. Sorgfältig heben sie ihn hoch, leuchten mit der Taschenlampe nach unten und gehen zum nächsten Gully. Dutzende Busse stehen in der Nähe zur U-Bahn-Station. „Wir haben Hinweise auf Provokationen“, erläutert er einem Passanten
Kleine Gruppen von Gläubigen ziehen mit einem Kreuzträger an der Spitze über die Gruschewkajastraße, vorbei an der chinesischen Botschaft und dem ukrainischen Parlament. Die Pilgerinnen tragen ein Kopftuch, die Männer, meist bärtig und mit langen Haaren, tragen vielfach schwarze Priesterkleidung.
Der Kreuzweg für Frieden und Liebe, der am 3. Juli mit einer Prozession von der ostukrainischen Stadt Swjatogorsk nahe Donezk und am 9. Juli mit einer weiteren Kolonne von der westukrainischen Stadt Potschajiw gestartet war, hatte sich am Mittwoch in Kiew vereinigt.
Doch nicht alle freuen sich über so viel Friedensliebe der orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats. Noch zu gut erinnert man sich, dass hochrangige Geistliche eben dieser Kirche sich geweigert hatten aufzustehen, als Präsident Poroschenko gefallene ukrainische Soldaten posthum zu Helden erklärt hatte. Auch wenn die orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats faktisch unabhängig sei, so sei sie doch ein Arm Moskaus, vermuten viele.
„Ihr seid doch alle Prostituierte Moskaus“, ruft ein Mann einer Gruppe Frauen in langen Röcken hinterher, während sich diese in Richtung Sicherheitsschleuse zu einem gemeinsamen Gebet begeben. Die Gläubigen waren auf ihrem mehrere hundert Kilometer langen Weg nach Kiew immer wieder von Nationalisten aufgehalten und beschimpft worden. In Odessa hatten Angehörige des „Automaidan“ Busse mit Gläubigen an ihrer Weiterfahrt nach Kiew gehindert. Nach Angaben der orthodoxen Kirche haben sich an dem Friedenszug 60.000 Gläubige beteiligt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen