: Unter Ausschluss der Betroffenen
Politik Erstmals hat die Bundesregierung den Mord an den Herero und Nama als Völkermord bezeichnet. Doch die Volksgruppen sind von den Gesprächen zwischen Deutschland und Namibia ausgeschlossen
Aus Nairobi Ilona Eveleens
Jetzt ist es offiziell. Die Bundesregierung hat zum ersten Mal den Mord an den Hirtenvölkern der Herero und Nama in der früheren Kolonie Deutsch-Südwestafrika als Völkermord bezeichnet. Diese Einstufung der Ereignisse zwischen 1904 und 1908 „spiegeln die Position der Bundesregierung wider“, hieß es in einer Antwort der Regierung auf die parlamentarische Anfrage des Linken-Entwicklungspolitiker Niema Movassat.
Bis zu 85.000 Herero und mindestens 10.000 Nama wurden Anfang des 20. Jahrhunderts von deutschen Truppen unter Führung von General Lothar von Trotha ermordet. Bereits im vergangenen Jahr hatte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) das Verbrechen als Völkermord bezeichnet. Nach wie vor bleibt die Bundesregierung auf dem Standpunkt, dass aus der Verwendung des Worts „Völkermord“ keine Rechtsfolgen für Deutschland entstünden.
Die Opposition lobte das Bekenntnis zwar als Kurskorrektur; Movassat bezeichnete es jedoch als völlig inakzeptabel, dass die laufenden Verhandlungen zwischen Deutschland und Namibia über den Genozid ohne Repräsentanten der beiden betroffenen Völker statt finden.
Ähnlich äußert sich auch der namibische Politiker Kazenambo Kazenambo von der regierenden Swapo-Partei. Durch den Ausschluss von Vertretern der Herero und Nama würden die „historischen Emotionen und Empfindlichkeiten nicht berücksichtigt“, kritisiert Kazenambo, einstiger Berater von Präsident Hage Geingob. Geingob sieht das anders: Die Gespräche mit Deutschland seien Angelegenheit aller Namibier, sagte er.
Organisationen der Herero und Nama wollen jedoch mitreden. Die Ovaherero Traditional Authority (OTA) droht Deutschland mit einer Klage. Anwälte der Organisation sollen die Bundesregierung bereits brieflich aufgefordert haben, Herero- und Nama-Vertreter an den Gesprächen teilnehmen zu lassen. Bob Kandetu, Sprecher der Gruppe, meint: „Namibia soll bei den Verhandlungen zwischen Deutschland und den Opfern vermitteln.“
Doch von den Besprechungen dringt nur sehr wenig an die Öffentlichkeit. Namibia will eine Entschuldigung und Wiedergutmachung. Der deutsche Botschafter in Windhoek, Christian Schlaga, hat jedoch vor Kurzem klargestellt, dass Deutschland keine Wiedergutmachung zahlen wird. Man denke aber über die Erhöhung finanzieller Mittel für namibische Entwicklungsprojekte nach.
Mike Kavekotora, Namibischer Politiker
Mike Kavekotora von der Oppositionspartei RDP bezeichnet die deutsche Haltung als arrogant. „Die deutsche Regierung sollte nicht vergessen, dass wir hier von Menschenleben sprechen. Wir warten schon seit hundert Jahren auf eine Wiedergutmachung. Wir haben es nicht eilig.“
Aber Deutschland hat es eilig. Der langjährige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU), verhandelt stellvertretend mit Namibia. Er drängt auf eine Lösung noch vor Ende des Jahres. Diese Forderung bezeichnete Albertus Aochamub, Pressesprecher von Präsident Geingob, als unangemessen. „Die Abgeordneten der Bundesrepublik Deutschland sollten mehr Respekt und Höflichkeit für ihre namibischen Kollegen zeigen“, sagte er.
Meinung + Diskussion
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen