Ende einer Hausbesetzung: Endlich Planungssicherheit

Nach gescheiterten Verhandlungen und abgelehnten Angeboten soll das „Alte Sportamt“ in Bremen nach über einjähriger Besetzung geräumt werden.

Die BesetzerInnen des „Alten Sportamts“ wollen bleiben. Foto: Ann-Kathrin Just

BREMEN taz | Es ist amtlich: Bis Ende Juli sollen die BesetzerInnen des soziokulturellen Vereins „Klapstul“ das „Alte Sportamt“ räumen. So steht es in einem von der Finanzsenatorin in Auftrag gegebenen Anwaltsschreiben. Andernfalls werde die Behörde Räumungsklage einreichen. Damit geht eine Hausbesetzung zu Ende, die es in dieser Länge seit den Achtzigerjahren kaum mehr gegeben hat.

Denn üblicherweise dauert eine Besetzung höchstens wenige Tage – dann wird geräumt. Im Vorteil gegenüber den „üblichen“ HausbesetzerInnen sind die Klapstul-AktivistInnen freilich, weil sie ihr Domizil auf dem Peterswerder vor der Besetzung jahrelang ganz legal genutzt haben: Seit 2011 jeden Sommer für Lesungen, Filmabende, Konzerte, Theateraufführungen und einen Umsonstladen. Und weil der Hauseigentümer Immobilien Bremen (IB) die Besetzung geduldet hat.

Nutzungsverbot im Winter

Im Winter war die Nutzung des „Alten Sportamts“ verboten, weil das Haus im Hochwassergebiet liegt. Jedes Jahr musste der Verein aufs Neue bei IB die Nutzung beantragen. Ohne zu wissen, wann und ob der Antrag genehmigt würde. Und jedes Jahr kam die Erlaubnis erst kurz vor Beginn der Sommersaison.

Als die AktivistInnen im vergangenen Jahr dann aus zweiter Hand erfahren musste, dass IB künftig das „Alte Sportamt“ für die Lagerung von Sportgeräten vermieten wolle, lief das Fass über: Die Schlösser wurden ausgetauscht, das Haus besetzt. Das war im April 2015 (taz berichtete).

Eine dauerhafte Nutzungserlaubnis wollte der Verein, nicht die ewige Planungsunsicherheit, die eine stets aufs Neue zu beantragende, temporäre Nutzung mit sich bringt. Warum eine saisonale Nutzung im Sommer immer nur für ein Jahr, nicht aber auf Dauer genehmigt worden ist, konnte im letzten Jahr auf taz-Nachfrage IB-Sprecher Peter Schulz ebenso wenig beantworten wie aktuell die Frage danach, welche Pläne es für die Zukunft des „Alten Sportamts“ gibt: „Erst wenn wir fundierte Kenntnisse über den Zustand des Gebäudes haben, können wir uns dazu äußern.“

Gut integriert

Der Zustand des Gebäudes, sagen die BesetzerInnen, sei gut. Noch im vergangenen Jahr habe es eine Begehung durch Baubehörde und Feuerwehr gegeben. Jens Tittmann, Sprecher der Baubehörde, bestätigt das: „Ja, wir waren bis einschließlich 2015 jedes Jahr dort, vor allem aus Gründen des Brandschutzes. Da war alles okay, und auch Einsturzgefahr besteht unserer Auffassung nach nicht.“ Immobilien Bremen, sagt dazu Peter Schulz, „ist weder die Baubehörde noch die Feuerwehr“.

IB ist der Finanzsenatorin unterstellt, die im vergangenen Jahr durchaus das Gespräch mit den BesetzerInnen gesucht hat. Nachdem die das Angebot für eine zweijährige Nutzung „ihres“ Hauses abgelehnt hatten, bot sie ihnen einen alternativen Standort in Bremen-Nord und einen in Blockdiek an: „Natürlich haben wir auch das abgelehnt“, sagt eine Besetzerin. Man sei auf dem Peterswerder gut integriert: „Selbst die Nachbarn aus den Kleingärten kommen mittlerweile vorbei und schauen, was bei uns los ist.“

Die kompromisslose Haltung der BesetzerInnen schien Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) noch im April dieses Jahres nicht weiter zu stören. Man sei weiterhin an einem Dialog interessiert, sagte damals ihre Sprecherin Dagmar Bleiker. Zwei Monate später konnte davon keine Rede mehr sein: Im Juni kam das Anwaltsschreiben mit der Aufforderung zu räumen. „Wir haben uns das nicht leicht gemacht, aber irgendwann muss man das ja mal entscheiden“, sagt Bleiker. Die BesetzerInnen seien schließlich überhaupt nicht gesprächsbereit gewesen.

„Interessant und lehrreich“

Die widersprechen: „Wir haben noch Mitte Juni eine Mail von IB bekommen, auf die wir durchaus reagiert haben“, sagt ein Aktivist. Darin habe gestanden, es gebe einen neuen Sachstand und IB lade zu einem Termin wenige Tage später. „Wir haben geantwortet, dass wir einen späteren Gesprächstermin wünschen und vorher über den Sachstand informiert werden möchten.“ Eine Antwort bekamen sie nie, stattdessen das Anwaltsschreiben. „Und genau das war der Sachstand“, sagt Bleiker, „über den IB die Besetzer informieren wollte.“

Erstaunt sind die nicht: „Wir haben uns eigentlich schon gewundert, dass das nicht schon früher kam“, sagt einer von ihnen. Das vergangene Jahr sei „interessant und lehrreich“ gewesen: „Wir wurden bestätigt in unserer Auffassung, dass es schlichtweg unmöglich ist, freie und selbst verwaltete Räume zu bekommen. Und wir werden nie wieder den Weg gehen, uns auf Diskussionen einzulassen oder das Gespräch zu suchen.“

Am gesetzten Stichtag werden sie das „Sportamt“ selbstverständlich nicht räumen, sondern die angedrohte Räumungsklage abwarten. „Immerhin“, sagt ein Besetzer, „haben wir jetzt endlich wieder Planungssicherheit.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.