: Der Run auf den letzten Rest
Rohstoff Die Industrie will klare Regeln, Umweltschützer wollen ein Verbot. Die einen fürchten um die Energieversorgung, die anderen ums Grundwasser
Werner Zittel, Energy Watch Group
Die Gasfelder in Niedersachsen und im nordwestlichen Nordrhein-Westfalen geben stetig weniger des wichtigen Energierohstoffs frei. Das verbliebene Gas findet sich in Gesteinsschichten von bis zu fünftausend Metern – mit konventionellen Methoden kommen die Unternehmen nicht mehr heran. „Diese Lagerstätten können nur mit Fracking erschlossen werden“, sagt Miriam Ahrens, Sprecherin des Bundesverbandes Erdgas, Erdöl und Geoenergie.
Fünf Jahre lang haben die Unternehmen in Niedersachsen freiwillig darauf verzichtet, dass die Behörden ihre Anträge für Fracking-Vorhaben bearbeiten. Die Firmen wollten dem Bund Gelegenheit für ein neues Gesetz geben, doch keine Bundesregierung konnte sich entscheiden, ob sie sich mit der Industrie oder der Bevölkerung anlegt (siehe Text oben).
In diesen fünf Jahren Pause haben die Unternehmen zugesehen, wie der Ölpreis erst in die Höhe kletterte und dann abstürzte, und wie die US- Frackingindustrie aus einer Goldgräberstimmung in Depressionen verfiel. Banken und Investoren ziehen ihr Geld aus der Branche, die Fördermengen nehmen ab. Derzeit liegt dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie in Hannover ein Antrag für eine Fracking-Maßnahme auf Prüfung vor.
Fracking bedeutet, mit hohem Druck ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in Gestein zu pressen und damit Risse zu erzeugen. Sie erlauben es dem Gas (oder auch Öl), auch aus sehr dichtem Gestein zu entweichen. Seit den 60er Jahren wird die Methode in „konventionellen“ Lagerstätten in Deutschland angewendet, etwa in Vorkommen in Sandstein.
Riesige Mengen an zusätzlichem Erdgas – nämlich zwischen 320 und 2030 Milliarden Kubikmetern – vermutet die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe aus Hannover in „unkonventionellen“ Lagerstätten. Bislang wird es, anders als in den USA, noch nicht geborgen. Dieses Schiefergas liegt zwischen ein- und fünftausend Meter tief etwa in Tongestein, und kann nur mittels Fracking gefördert werden. Zwar ist die Definition von „konventionellen“ und „unkonventionellen“ Lagerstätten unklar und umstritten, trotzdem spielt sie eine Rolle in der politischen Debatte. So gelobt etwa der Niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies, er wolle nur das konventionelle Fracking erlauben, das unkonventionelle müsse unterbleiben.
Walter Feldt vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Niedersachsen ist die Unterscheidung einerlei. Er möchte die Technik grundsätzlich verboten sehen, auch wenn er sie schon nach heutiger Rechtslage „für nicht genehmigungsfähig“ hält. Das Wasserhaushaltsgesetz verbiete es, Stoffe in das Grundwasser einzuleiten, das seine Beschaffenheit nachteilig verändere. „Beim Fracking werden viele Chemikalien eingesetzt“, sagt Feldt, „diese Vorschrift können sie mit Fracking gar nicht einhalten.“ Ein Verbot sei trotzdem notwendig, um Klarheit zu schaffen.
Die wünscht sich auch die Industrie und begründet mit diesem Wunsch auch ihren Vorstoß vom Mittwoch. Weder lägen in den Schubladen der Unternehmen bündelweise Anträge bereit, die beim Bergamt eingereicht werden sollten, noch seien in nächster Zeit konkrete Fracks vorgesehen. „Ein Projekt, das jetzt geplant wird, braucht mehrere Jahre bis zur Umsetzung“, sagt Ahrens vom Erdgasverband. „Die Unternehmen brauchen Planungssicherheit.“
„Wir brauchen dieses Erdgas nicht“, sagt Werner Zittel von der Energy Watch Group, einem Netzwerk aus Wissenschaftlern und Parlamentariern. Auch mit Fracking ließe sich die Produktion nur um wenige Prozent steigern. Viel wichtiger, als auch die letzten Ressourcen aus dem Boden zu pressen, sei der forcierte Ausbau erneuerbarer Energien. „In 30 Jahren wollen wir emissionsfrei sein“, so Zittel, „da hat Erdgas keine Zukunft“.
Heike Holdinghausen
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