: Aus dem Vollen: 34 Cent mehr
Mindestlohn Kommission einigt sich auf Anhebung des Stundenlohns auf 8,84 Euro. Die Gewerkschaften sehen keine Hinweise auf befürchtete Jobverluste
aus Berlin Wolfgang Mulke
Der gesetzliche Mindestlohn soll am 1. Januar 2017, zwei Jahre nach seiner Einführung, erstmals erhöht werden. Darauf hat sich die aus Arbeitgebern, Gewerkschaften und Wissenschaftlern zusammengesetzte Mindestlohnkommission geeinigt. Je Arbeitsstunde steige die Lohnuntergrenze um 34 Cent auf 8,84 Euro, sagte der Vorsitzende des Gremiums, Jan Zilius, ein ehemaliger Manager des Energiekonzerns RWE. Die Entscheidung sei einstimmig getroffen worden. Bei einem Vollzeitjob mit 37,5 Stunden pro Woche bekommen Arbeitnehmer am Monatsende brutto 55 Euro mehr.
Der Mindestlohn orientiert sich an drei Faktoren. Wichtigstes Kriterium ist die Anpassung gemäß der allgemeinen Tarifentwicklung. Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und ein Mindestschutz für Arbeitnehmer sind zwei weitere Kriterien der Lohnfindung. Es stehe nicht im Gesetz, dass man vom Mindestlohn auch leben können muss, betonte Zilius.
Dabei steckt der Teufel im Detail. In diesem Fall stritten die Tarifpartner über die Einbeziehung schon getroffener Tarifvereinbarungen. Am Ende traf man sich auf halben Weg. Der bereits umgesetzte Abschluss im öffentlichen Dienst wurde berücksichtigt, die erst ab Juli geltende Regelung der Metaller noch nicht.
Eine verlässliche wissenschaftliche Bewertung der Wirkungen des Mindestlohnes gibt es nach Angaben der Kommission aufgrund fehlender Daten noch nicht. Lediglich ein deutlicher Rückgang der Minijobs sei zu beobachten, sagte Zilius.
Stefan Körzell, DGB
Der DGB ist vom Erfolg überzeugt. „Es gibt keine Verwerfungen am Arbeitsmarkt“, stellt Stefan Körzell vom DGB-Bundesvorstand fest. In allen Bundesländern seien die Löhne in den untersten Einkommensgruppen deutlich gestiegen. Bei Post- und Kurierdiensten in Thüringen sorgte die Einführung zum Beispiel für ein Lohnplus von 27 Prozent. Aber auch in den westlichen Bundesländern stiegen für viele Beschäftigte die Löhne im zweistelligen Prozentbereich. Insgesamt sind etwa 4 Millionen Arbeitnehmer betroffen.
In einigen Punkten konnte sich der DGB dem Bericht der Kommission nicht anschließen. Zu den Ausnahmen vom Mindestlohn, den laut Gewerkschaften unzureichenden Kontrollen und den Umgang mit Flüchtlingen, formulierte der DGB abweichende Positionen. Kritik kommt auch von der Linken und aus der Wissenschaft. „Der Mindestlohn bleibt ein Mangellohn“, sagt Klaus Ernst von der Linkspartei. Der Armutsforscher Christoph Butterwegge von der Uni Köln hält eine Anhebung auf eine Betrag von mehr als 9 Euro für geboten. In so einem reichen Land dürfe der Mindestlohn kein Armutslohn sein.
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