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EZB durfte Euro retten

Verfassungsgericht Die Karlsruher Richter geben der Europäischen Zentralbank grundsätzlich Rückendeckung für ihre Antikrisenpolitik der Anleihenkäufe

Aus Karlsruhe Christian Rath

Das Bundesverfassungsgericht hat alle Klagen gegen die Euro-Rettungspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) abgewiesen. Zugleich nutzte es das Urteil, um grundsätzliche Regeln zur deutschen Kontrolle der EU-Institutionen zu verkünden.

Im September 2012 hatte die EZB angekündigt, den Euro durch Anleihekäufe zu retten, „koste es, was es wolle“. Das Programm nannte sich „outrightmonetary transactions“ und war ungemein erfolgreich: Allein die Ankündigung führte dazu, dass die Zinszuschläge deutlich zurückgingen, die Spekulanten hatten verloren.

In Deutschland begann aber ein Streit, ob die EZB dabei ihre Kompetenzen überschritt. Dagegen klagten unter anderem der Ex-CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler, der Verein „Mehr Demokratie“ mit 37.000 Unterstützern sowie die Linke-Fraktion im Bundestag. Die Demokratie in Deutschland sei gefährdet, wenn die EZB faule Anleihen in unbegrenzter Höhe aufkaufe und letztlich die na­tio­nalen Haushalte für Verluste hafteten, hieß es.

Das Bundesverfassungsgericht erklärte im Februar 2014, das Ankaufprogramm sei wohl eine „offensichtliche Kompetenzüberschreitung“. Die EZB wolle Staaten finanzieren und Wirtschaftspolitik betreiben, obwohl sie nur für die Stabilität der Währung zuständig sei. Da für die Auslegung des EU-Rechts aber der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg zuständig ist, legte Karlsruhe diesem die Rechtsfrage vor. Es war die erste derartige Vorlage der Karlsruher Richter.

Im Juni 2015 entschied der EuGH, dass die EZB ihre Kompetenzen nicht überschritten hatte. Er machte der EZB aber einschränkende Vorgaben.

Diese Vorgaben des EuGH nahm Karlsruhe nun zum Anlass, die Verfassungsklagen zurückzuweisen. Konkret muss die EZB zum Beispiel das Volumen der Aufkäufe intern begrenzen – auch wenn sie den Märkten die Grenze nicht mitteilen muss. Auch dürfen keine Anleihen von Staaten wie Griechenland aufgekauft werden, die so verschuldet sind, dass die Märkte ihnen im Moment gar keine Anleihen abkaufen. Damit sei die „haushaltspolitische Gesamtverantwortung“ des Bundestags nicht mehr gefährdet, so Karlsruhe.

Die Verfassungsrichter machten zwar deutlich, dass sie punktuell „gewichtige Einwände“ gegen das EuGH-Urteil haben. So folge der EuGH zu blauäugig den Behauptungen der EZB, sie stütze nur die Währung und mache keine Wirtschaftspolitik. Das EuGH-Urteil sei aber nicht „offensichtlich“ falsch und deshalb für Karlsruhe verbindlich.

„Der EuGH folgt zu blauäugig den Behauptungen der EZB“

Bundesverfassungsgericht

Das Bundesverfassungsgericht nutzte den Fall, um zu beschreiben, wie es künftig die europäischen Institutionen kontrollieren will. So stellten die Richter klar, dass deutsche Bürger in Karlsruhe nicht direkt gegen EU-Akte klagen können. Sie können aber verlangen, dass sich Staatsorgane wie die Bundesregierung und die Bundesbank nicht an EU-Akten beteiligen, die offensichtlich die EU-Kompetenzen überschreiten. Als „Vorfrage“ prüfe Karlsruhe dann auch EU-Rechtsakte.

Ihre Kontrolle wollen die Verfassungsrichter aber „europafreundlich“ ausüben. Sie wollen nur „offensichtliche“ und „strukturell bedeutsame“ Kompetenzüberschreitungen der EU-Organe beanstanden. Außerdem will Karlsruhe, bevor es EU-Recht moniert, den Fall dem EuGH vorlegen. Dessen Meinung soll grundsätzlich verbindlich sein. Er habe sogar Anspruch auf „Fehlertoleranz“. Nur wenn er „objektiv willkürlich“ urteile, will Karlsruhe die Position des EU-Gerichtshofs ignorieren. Az. 2 BvR 2728/13 u.a

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