: Der schwarze Riese plant den Abschied vom Öl
Energie Die saudische Delegierte Sarah Baashan leitet in diesem Jahr die UN-Klimaverhandlungen. Und ihr Land verkündet Zukunftspläne jenseits des schwarzen Goldes
Vize-Kronprinz Mohammed bin Salman
Wäre da nicht ihre Herkunft: Baashan ist Delegierte des Königreichs Saudi-Arabien, das bisher wie kein zweites Land den Klimawandel mit seinem Öl befeuert hat und mit seinen perfekt ausgebildeten Diplomaten seit Jahrzehnten alle Klimaverhandlungen ausbremst.
Dem entsprechend groß war das Misstrauen, als die junge Diplomatin, die Management und internationale Beziehungen unter anderem in den USA studiert hat, vor zwei Wochen auf Vorschlag der Entwicklungsländer zum „Co-Chair“ der „Ad-hoc-Group zur Umsetzung des Pariser Abkommens“ (APA) gewählt wurde. Seit Jahren war Baashan Teil der saudischen Strategie auf den Klimakonferenzen. Würde sie den ohnehin langsamen Prozess noch weiter bremsen?
Nein. Viele Beobachter auf der Klimakonferenz, die am Donnerstag in Bonn tagte, loben Baashans Arbeit. „Als Co-Chair musst du zwischen 195 Staaten vermitteln, da kannst du dein eigenes Land nicht bevorzugen“, so ein Experte. Ein anderer hofft gar, Baashans Rolle werde „die saudische Delegation im Zaum halten“.
Ohnehin blicken Klimaschützer und Energieexperten mit großen Augen auf die Revolution, die Saudi-Arabien für seine Energiepolitik angekündigt hat. Im April stellte Vizekronprinz Mohammed bin Salman die „Vision 2030“ vor, die die Abhängigkeit seines Staates vom Öl beenden soll. „In 20 Jahren wird unsere Wirtschaft nicht mehr hauptsächlich vom Öl abhängen,“ so bin Salman in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg.
Derzeit basieren 90 Prozent der saudischen Staatseinkünfte auf Öl. Der Plan sieht vor, die Wirtschaft breiter aufzustellen, Bergbauindustrie, Tourismus und Waffenproduktion zu fördern und den Anteil der Privatwirtschaft von derzeit 40 auf 65 Prozent zu steigern. Die Zeit drängt. Auch weil Saudi-Arabien seine Fördermenge nicht gesenkt hat, ist der Ölpreis 2015 um die Hälfte gefallen. Der Staat musste 100 Milliarden Dollar einsetzen, um den Haushalt auszugleichen. 2016 wurden der Ölpreis um 60 Prozent angehoben, eine Mehrwertsteuer eingeführt und Subventionen gekürzt. Für den Umbau will Saudi-Arabien einen Staatsfonds mit einem Kapital von etwa 2 Billionen Dollar gründen. Das Geld soll fließen, wenn im nächsten Jahr bis zu 5 Prozent des staatseigenen Ölkonzerns Saudi Aramco an die Börse gebracht wird.
Weltweit besitzt der schwarze Riese 100 Öl- und Gasfelder, sitzt auf den größten Reserven der Welt, die zehnmal so groß sind wie die des größten privaten, ExxonMobil. Er fördert Öl für 12 Dollar pro Fass, so billig wie sonst kaum jemand. Aramco veröffentlicht keine Bilanzen, Einkünfte oder Profite. Sein Wert wird auf etwa 10 Billionen Dollar geschätzt. Wenn die reichste und geheimnisvollste Firma der Welt Anteile verkauft, werden die Investoren Schlange stehen, nehmen Analysten an.
Aber ob der Umbau des Landes von der Tankstelle zum modernen Industrieland gelingt, ist unsicher. Experten erinnern daran, dass es früher schon solche Pläne gab – die gescheitert seien. Der Zeitpunkt für einen massiven Ausbau erneuerbarer Energien etwa wurde von 2032 auf 2040 verschoben. Wirtschaftliche Reformen und Unternehmertum ließen sich nicht einfach verordnen, sagen Kritiker. Auch von Klimaschützern kommen Zweifel. Der Klimaplan des Königreichs verspricht zwar, den CO2-Ausstoß bis 2030 um 130 Millionen Tonnen zu senken – aber nur, wenn die Wirtschaft weiterhin von einem „robusten Beitrag der Ölexporte“ verwöhnt werde.
Die unabhängigen Experten von Climate Analytics kamen daher zu dem Schluss, der Klimaplan sei angesichts des nötigen Klimaschutzes und des saudischen Reichtums völlig „unzureichend“. Um wenigstens mittelmäßig zu werden, „müsste das Land seine Anstrengungen vervierfachen“, hieß es. Und die Analysten konnten sich einen Hinweis nicht verkneifen, das Land sei an seinen Problemen teilweise selbst schuld: „Es ist ironisch und riskant, dass die Saudis ihren Übergang zu erneuerbaren Energien verzögern mit Verweis auf den niedrigen Ölpreis, wenn ihre eigene Ölproduktion diese Preise gedrückt hat.“ Bernhard Pötter
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