G7-Gipfel in Japan: Kein Konsens in Sicht
Wie bringt man die Wirtschaft in Schwung? Das wollen die Staatschefs der G-7-Staaten auf ihrem Gipfel diskutieren – ausgerechnet in Japan.
All diese staatlich inszenierten Großprojekte dienen vor allem einem Ziel: der Ankurbelung der seit mittlerweile zwei Jahrzehnten stagnierenden japanischen Volkswirtschaft. Als Gastgeber des am Donnerstag beginnenden G-7-Gipfels in Ise-Shima will Japans Premierminister Shinzo Abe auch bei den anderen führenden Industrieländern für diesen nach ihm benannten Wirtschaftskurs (Abenomics) werben.
Dabei hat sich die japanische Regierung bereits eine Abfuhr eingeholt. Beim Vorbereitungstreffen der G-7-Finanzminister am vergangenen Wochenende in Sendai stellte sich vor allem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gegen einen globalen Finanzstimulus quer. Für ihn ist der japanische Wirtschaftskurs ein Horrorszenario. Zwar ist Japans Arbeitslosenquote all die Jahre niedrig geblieben und blieben soziale Verwerfungen aus. Doch die Staatsverschuldung stieg. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt, liegt sie inzwischen bei über 250 Prozent. Japan ist das am höchsten verschuldete Land der Welt.
Die G-7-Gruppe werde kein gemeinsames Konjunkturprogramm ausrufen, hieß es daher in einer gemeinsamen Erklärung der Finanzminister. Statt Konjunkturpaketen auf Pump werde die Gruppe auf einen „Dreiklang aus Fiskal- und Geldpolitik sowie Strukturreformen setzen“ – ein windelweicher Kompromiss und typisch, wenn keine Einigung gefunden wird.
Nach außen hin scheint der Streit beigelegt. Doch hinter den Kulissen schwelen die Konflikte weiter. Die Japan Times zitiert einen japanischen Unterhändler, laut dem Abe auch weiter für seinen Kurs werben werde – zumal auch in der Geldpolitik die G-7-Staaten alles andere tun, als an einem Strang zu ziehen.
Befeuert wird Abenomics von einer extrem lockeren Geldpolitik. Die japanische Zentralbank hatte ab 2013 die Geldmenge in ungekanntem Ausmaß erhöht, um den Yen im Vergleich zum US-Dollar zu verbilligen. Das Ziel war, dadurch Japans Exportgüter auf dem Weltmarkt konkurrenzfähiger zu machen.
Lockere Geldpolitik
Die Europäische Zentralbank folgte diesem Schritt. Der Euro hat in den vergangenen zwei Jahren zwischen 20 und 30 Prozent gegenüber dem Dollar an Wert verloren. Seit Jahresbeginn schlagen wiederum die USA zurück und haben ihrerseits den Dollar abgewertet. Ein Abwertungswettlauf ist also längst im Gang.
Nun schieben sich die Akteure gegenseitig die Schuld zu. Japans Finanzminister Taro Aso drohte am Wochenende mit Interventionen, sollte der Yen gegenüber dem Dollar noch stärker zulegen. Sein US-Kollege Jack Lew wiegelte ab und meinte, die derzeitigen Schwankungen auf den Devisenmärkten spielten sich in „geordneten Bahnen“ ab. Schäuble und die anderen drei europäischen Finanzminister hielten sich in dieser Frage eher zurück. Wenn die Regierungschefs am Donnerstag zusammenkommen, will Abe diesen Konflikt erneut zur Sprache bringen.
Möglichst meiden wollen die Regierungschefs beim G-7-Gipfel hingegen das Thema Freihandelsabkommen. Nach den heftigen Protesten der vergangenen Wochen in zahlreichen europäischen Städten gegen das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) wächst auch in Japan der Widerstand gegen TPP, das transpazifische Pendant zu TTIP. Die japanische Sektion des globalisierungskritischen Netzwerks Attac und Bauernverbände haben zu Protesten rund um den Tagungsort in Ise-Shima aufgerufen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“
Bequem gemacht im Pseudoliberalismus