Glyphosat-Entscheidung verschoben: „Die EU-Kommission war zu feige“
Ob Glyphosat weiter in Europa eingesetzt wird, bleibt offen: Die EU-Kommission vertagt die Abstimmung. Umweltschützer kritisieren das.
Die EU-Kommission hatte sich für eine Verlängerung um weitere neun Jahre ausgesprochen, möchte die Entscheidung aber nicht allein fällen. Als Kompromiss wäre denkbar, die Neuzulassung auf sieben Jahre zu beschränken und Auflagen etwa für die private Nutzung von Glyphosat durch Hobbygärtner zu machen. Das hatte das Europaparlament gefordert. „Jetzt muss ein neuer Vorschlag auf den Tisch“, sagte der agrarpolitische Sprecher der Grünen, Martin Häusling.
Allerdings sind die Fronten verhärtet, vor allem in Deutschland. Während sich die SPD auf ein Nein zur Neuzulassung festgelegt hat, plädiert Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für eine Verlängerung. Sie teile die Haltung von Agrarminister Christian Schmidt (CSU), sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Durchregieren kann Merkel jedoch nicht; der Dissens läuft auf eine deutsche Enthaltung hinaus.
Ohne ein deutsches Ja ist die für eine Neuzulassung nötige qualifizierte Mehrheit in Brüssel kaum zu erreichen. Die deutsche Stimme hat besonderes Gewicht; Frankreich, Schweden und Italien haben sich nach Medienberichten auf ein Nein festgelegt. Die EU-Kommission wollte sich nicht zum weiteren Vorgehen äußern. Für sie geht es nicht nur um die Zulassung, sondern auch um handelspolitische Fragen: Die USA produzieren und nutzen Glyphosat in großem Stil; ein Verbot in der EU könnte bei den laufenden TTIP-Verhandlungen zum Problem werden.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisierte das Vorgehen der Brüsseler Behörde. „Die EU-Kommission war zu feige, den Tatsachen ins Auge zu blicken“, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Die Kommission müsse die „Hängepartie“ nun umgehend beenden und Glyphosat die Wiederzulassung verweigern, so Weiger. Das gebiete das Vorsorgeprinzip zum Schutz von Umwelt und Verbrauchern.
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