piwik no script img

portraitEx-Grüner unter Grapschverdacht

Die französischen Sozialisten hatten ihren „DSK“, die Grünen ihren Denis Baupin. Erstgenannter, Exminister und Ex-IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn, war wegen Vergewaltigung, sexueller Aggression und Zuhälterei beschuldigt, aber nicht verurteilt worden. Baupin, Abgeordneter der Partei Europe-Ecologie-Les Verts (EELV), musste am Montag sein parlamentarisches Amt als Vizepräsident der Nationalversammlung abgeben. Vier prominente Frauen der Grünen haben ihn öffentlich beschuldigt, sie zwischen 1998 und 2014 sexuell belästigt zu haben. Baupin dementiert die Vorwürfe.

Der Ingenieur Baupin galt bisher als einer der führenden Köpfe der politischen Umweltbewegung. Er war als Vizebürgermeister für die grüne Weichenstellung im Verkehr (Fahrradspuren, Mieträder, Rückkehr der Straßenbahn) und für die Klimapolitik der Hauptstadt zuständig. Diese kommunalen Ämter musste er 2012 abgeben, als er als Abgeordneter der Grünen in die Nationalversammlung gewählt wurde. Mehrfach war er als Regierungsmitglied im Gespräch, Ministerin (für Wohnungspolitik) wurde aber vor drei Monaten seine Gattin, Ex-EELV-Parteichefin Emmanuelle Cosse, die daraufhin aus der Partei ausgeschlossen wurde. Auch Baupin hatte die EELV wegen Differenzen verlassen.

Dass er jetzt als Frauenbelästiger entlarvt wird, hat die breite Öffentlichkeit schockiert. Innerhalb der Partei war man offenbar weniger überrascht. Eine frühere Parteisprecherin, Sandrine Rousseau, erzählte im Fernsehen, er habe sie am Rande eines öffentlichen Auftritts gegen die Wand gedrückt, begrapscht und versucht sie zu küssen. Sie sei damals vor Schreck wie gelähmt gewesen. Als sie danach andere führende Parteimitglieder informierte, habe ein Kollege nur gesagt: „Oje, jetzt fängt er wieder mit dem Gegrapsche an ...“ Ein anderer habe versucht, den Zwischenfall zu verharmlosen. Aus Rücksicht auf die Partei und Emmanuelle Cosse habe sie (wie die anderen) keine Klage eingereicht. Sie wusste nicht, dass andere Frauen offenbar ähnlichen Belästigungen und Aggressionen durch Baupin ausgesetzt waren. Ob sich die Justiz mit der Affäre befasst, ist noch nicht klar. Rudolf Balmer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen