piwik no script img

Eine Feuerpause für Aleppo

Syrien Nach zwei Wochen mörderischer Angriffswellen vereinbaren die USA und Russland eine Einstellung der Kampfhandlungen. Wie lange sie dauert, ist unklar

Aus Genf Andreas Zumach

Nach fast zwei Wochen heftigen Kämpfen hat eine neue Waffenruhe in der nordsyrischen Stadt Aleppo zunächst weitgehend gehalten. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete am Donnerstag nur vereinzelte Verstöße gegen die Feuerpause. Allerdings hätten viele Anwohner aus Angst vor neuer Gewalt ihre Häuser nicht verlassen.

Zumindest bis Freitag um Mitternacht sollen in Aleppo die Waffen schweigen. Am Mittwochabend hatten Russland und die USA die Einigung auf eine Waffenruhe in der seit Mitte April heftig umkämpften Stadt bekannt gegeben. Dabei differierten allerdings die Angaben über den Beginn und die Dauer der Feuerpause.

Ein Sprecher der Regierung in Moskau teilte mit, die Waffen sollten ab Donnerstagmorgen um 1 Uhr (MEZ, Mitternacht Ortszeit Damaskus) für 48 Stunden schweigen. Die syrische Regierung veröffentlichte eine entsprechende Anweisung an die eigenen Streitkräfte. Das US-Außenministerium erklärte hingegen, die vereinbarte Waffenruhe gelte bereits seit Mittwochmorgen 00.01Uhr Damaszener Zeit. Der Widerspruch wurde zunächst nicht aufgeklärt. Tatsächlich fanden fast den ganzen Mittwoch über heftige Gefechte in und um Aleppo statt.

Noch am Abend meldeten kurdische Truppen zudem, dass der überwiegend kurdisch geprägte Stadtteil Scheich Maksud weiterhin von in der Meldung nicht näher identifizierten „Oppositionsmilizen“ bombardiert werde. Dabei seien ein Mensch getötet und fünf weitere verwundet worden.

Die kurdischen Truppen äußerten die Befürchtung, der Stadtteil sei möglicherweise von der russisch-amerikanischen Vereinbarung über die Feuerpause ausgenommen worden. Aus dem gemeinsamen russisch-amerikanischen Operationszentrum in Genf, wo Militärs beider Seiten seit Anfang dieser Woche tatsächlich über das Szenario einer nur teilweisen Feuerpause für Aleppo verbunden mit „Sicherheitszonen“ für Zivilisten und „moderate Rebellengruppen“ beraten hatten, gab es für diese Befürchtung der Kurden keine Bestätigung.

In einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates zur Lage in Aleppo am Mittwochabend in New York hatte UN-Vizegeneralsekretär Jeffrey Feltman eine unverzügliche und vollkommene Einstellung der Feindseligkeiten gefordert. Die Bombardements der syrischen Regierungstruppen in den vergangenen zwei Wochen gehörten zu „den schlimmsten“ im nunmehr fünfjährigen Bürgerkrieg, klagte Feltman.

Absichtliche und direkte Attacken auf Krankenhäuser in Aleppo kämen Kriegsverbrechen gleich. Das Gleiche gelte für die Aushungerung der Bevölkerung. Auch der Beschuss der von der Regierung kontrollierten Bezirke durch Oppositionskräfte habe zu „Tod und Verwüstung geführt.“ Aleppo sei „systematischer Zerstörung“ ausgesetzt und werde zunehmend zu „einer Hülle dessen, was es einst gewesen“ sei, erklärte Feltman. Urheber der Gewalt sollten vor dem Internationalen Strafgerichtshof zur Rechenschaft gezogen werden, forderte der stellvertretende UN-Generalsekretär in New York.

Seit Beginn des Bürgerkrieges sind rund 400.000 Menschen umgekommen

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier forderte, die Waffenruhe voll einzuhalten und den Menschen in Aleppo „nach Wochen der Angst und Verzweiflung eine Atempause von Krieg und Gewalt zu verschaffen“. Steinmeier hatte sich am Mittwoch in Berlin um eine Wiederbelebung der stockenden Friedensgespräche bemüht. Dort traf er sich mit seinem französischen Kollegen Jean-Marc Ayrault und dem syrischen Oppositionsführer Riad Hidschab.

Die Stadt Aleppo ist derzeit der umkämpfteste Schauplatz in Syriens Bürgerkrieg. Insgesamt sind seit Beginn der Proteste und des Bürgerkriegs vor mehr als fünf Jahren nach UN-Angaben etwa 400.000 Menschen ums Leben gekommen.

Meinung + Diskussion

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen