Wohnungsbau in Deutschland: Abriss als Chance

Wie kann neuer Wohnraum geschaffen werden? Ein Bündnis der Bauwirtschaft fordert: Alte Häuser abreißen und neubauen statt sanieren.

Eine Wohnsiedlung in Nahaufnahme

Abreißen? Neubauen? Wer‘s zahlen soll, ist unklar Foto: dpa

BERLIN taz | Über eine Milliarde Euro will die Bundesregierung künftig zur Verfügung stellen, um den Wohnungsbau vor allem in Großstädten und Ballungsräumen anzukurbeln. Es liegt auf der Hand, dass diese Größenordnung Begehrlichkeiten weckt. Am Dienstag präsentierte ein Bündnis für „Abriss und Neubau als Chance“ seine Pläne. Es tritt dafür ein, dass in den kommenden Jahren 1,8 Millionen Wohngebäude abgerissen und durch Neubauten ersetzt werden.

Hinter dem Bündnis stehen die Spitzenverbänden der deutschen Bauwirtschaft, der privaten Immobilienunternehmen und die Gewerkschaft IG BAU. Sie berufen sich mit ihrer Forderung auf eine Studie der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (Arge) und des Pestel-Instituts.

Laut der Studie wäre insbesondere der Ersatz von Wohnungen aus den 1960er und 1970er Jahren ein geeignetes Mittel, um den Wohnungsbestand schnell und nachhaltig an die Standards für Energieeffizienz heranzuführen und den rasant steigenden Bedarf an altersgerechten und barrierefreien Wohnungen zu decken. In diesem Segment werden bis zum Jahr 2030 zusätzlich rund 2,9 Millionen Wohnungen gebraucht.

Das Programm solle sich daher auf Gebäude „mit nicht veränderlichen negativen Merkmalen wie niedrigen Raumhöhen, ungünstigen Schnitten und zu kleinen Bädern fokussieren“, so Arge-Studienleiter Dietmar Walberg. Bei rund zehn Prozent des gesamten Wohnungsbestandes könne man zudem davon ausgehen, dass ein Neubau wesentlich kostengünstiger sei als eine umfassende energetische Modernisierung oder gar eine barrierefreie Ausgestaltung.

Wohin mit den Mietern nach dem Abriss?

Auch Martin Mathes, Leiter der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der IG BAU, will entsprechende Projekte für die betroffenen Mieter sozial abfedern. Denkbar wären eine „gerechte Aufteilung der Kosten zwischen Mietern, Vermietern und dem Bund sowie eine Deckelung der Warmmieten nach dem Bezug der neu gebauten Wohnungen“.

Felix Klapetta, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Baugewerbes, nennt das Programm einen „wichtigen Baustein für die bedarfsgerechte Entwicklung des Wohnungsmarktes“. Man wolle „ein Ende der Diskriminierung des Abrisses gegenüber der Modernisierung“. Konkret soll das Baugesetz geändert werden, das den Bestandsschutz für Gebäude regelt.

Abriss und Neubau vernichten preis­werten Wohnraum

Nebulös blieben die Antworten auf die Frage, wie man denn angesichts der Wohnungsknappheit in vielen Großstädten die Unterbringung der von Abriss betroffenen Mieter bewerkstelligen will. Günther verwies auf „ bewährte Instrumente des Mietermanagements“, wie sie schon jetzt bei der blockweisen Modernisierung eingesetzt würden. Er räumte allerdings ein, dass dies in Städten wie Berlin, wo schon jetzt Tausende von Flüchtlingen in Turnhallen und anderen Notunterkünften mehr campieren als wohnen und derzeit massenhaft Containersiedlungen gebaut werden müssen, „schwierig“ sei.

Wenig begeistert von der Initiative zeigt sich der Deutsche Mieterbund (DMB). „Abriss und Neubau bedeuteten in der Regel die Vernichtung vergleichsweise preiswerten Wohnraums“, sagte ein DMB-Sprecher der taz. Man könne sich allenfalls vorstellen, bereits leerstehende Gebäude, die aufgrund ihres Zustandes faktisch nicht bewohnbar und auch nicht mit vertretbarem Aufwand zu sanieren seien, durch Neubauten zu ersetzen.

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