Felix Lee über Gaucks ChinaReise: So geht Staatsbesuch!
Joachim Gauck hat bereits nach seinem ersten Tag in Peking alle Erwartungen übertroffen. Überraschend gelang es ihm am Montagabend, chinesische Bürgerrechtsanwälte und Menschenrechtsaktivisten zu treffen. Bereits vor Antritt seiner Reise hatte Gauck deutlich gemacht, dass der Charakter seiner Chinareise sich deutlich unterscheiden werde von dem anderer europäischer Staatsoberhäupter auf Pekingbesuch. Bundeskanzlerin Merkel setzt sich hinter verschlossenen Türen zwar für einzelne Dissidenten ein. Doch auch bei ihr stehen stets die Wirtschaftsbeziehungen im Vordergrund.
Gauck hingegen nimmt in Peking kein Blatt vor den Mund. Beim Treffen mit Staatschef Xi Jinping hinterfragt er unverblümt Chinas angeblichen Sozialismus – ein Land mit der inzwischen größten Vermögensschere weltweit. Der Bundespräsident trifft sich mit Vertretern der Zivilgesellschaft und will einer Messe von Christen beiwohnen. Höhepunkt seiner Reise dürfte eine Rede vor Studenten der Tongji-Universität in Schanghai werden. Sein Stab ließ vorab durchsickern, dass die Rede mit Gaucks eigener Biografie im Zusammenhang stehen werde. Er dürfte also über Demokratie und Freiheit sprechen.
Anders als die Kanzlerin hat Gauck keine Exekutivgewalt und muss in China keine Handelsverträge unterschreiben. Auch ist zu bezweifeln, dass sich die kommunistischen Führer seine mahnenden Worte zu Herzen nehmen. Und doch sind diese Worte dringend notwendig. China erlebt unter dem seit drei Jahren amtierenden Partei- und Staatschef Xi Jinping eine Verhärtung des politischen Systems. Anwälte und Journalisten werden eingeschüchtert, Aktivisten ohne Anklage im Fernsehen vorgeführt und zu Schuldbekenntnissen gezwungen. Gauck mit seiner Biografie ist die rechte Person am rechten Ort, um gegenüber der chinesischen Führung auch Unangenehmes anzusprechen. Er weiß diese Chance bestens zu nutzen.
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