: Kleine Frau im Cockpit?
Justiz Der Grundsatzstreit über die Mindestgröße von Pilotinnen am Bundesarbeitsgericht endet mit einem Vergleich
Ein Lufthansa-Experte vor dem Bundesarbeitsgericht
Aus Erfurt Christian Rath
Muss eine Lufthansa-Pilotin mindestens 1,65 Meter groß sein? Darüber verhandelte am Donnerstag das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt – und ließ die Frage schlussendlich offen. Die nur 161,5 Zentimeter große Klägerin erhält nun eine Entschädigung von 14.175 Euro. Sie erklärte dafür den Rechtstreit „sehr, sehr schweren Herzens“ für erledigt.
Die heute 21-jährige Frau aus Nordrhein-Westfalen hatte sich 2012 bei der Lufthansa um eine Ausbildung zur Pilotin beworben. Sie wurde aber abgelehnt, weil der spezifische Tarifvertrag eine Mindestgröße von 1,65 Metern vorsieht.
Die junge Bewerberin sah darin eine mittelbare Diskriminierung von Frauen. Denn 44,3 Prozent aller Frauen sind kleiner als 1,65 Meter, während nur 2,8 Prozent der Männer so klein sind. Sie klagte deshalb auf 15.000 Euro Schmerzensgeld und 120.000 Euro Schadenersatz für die entgangene Ausbildung.
Die Lufthansa argumentierte beim Bundesarbeitsgericht, es gebe einen „sachlichen Grund“ für die Mindestgröße: die Sicherheit des Luftverkehrs. „Ein Pilot muss aus dem Cockpit schauen und gleichzeitig die Fußpedale für die Seitenruder bedienen können“, sagte ein Lufthansa-Experte.
Allerdings sind andere Airlines weniger streng. Bei der Swiss Air etwa genügt eine Größe von 1,60 Metern und bei der niederländischen Fluglinie KLM reichen sogar 1,57 Meter Körpergröße. Die Lufthansa will sich aber nicht nach anderen Gesellschaften richten: „Bei uns gibt es eben einen Sicherheitszuschlag.“ Allerdings wurde vor Gericht auch ein ganz praktischer Grund erwähnt. Lufthansa-Flugschüler üben im US-Bundesstaat Arizona mit Beechcraft-Bonanza-Flugzeugen. Bei diesen Propellermaschinen aus den 50er Jahren ist die Möglichkeit, die Sitze größenabhängig zu verstellen, noch recht eingeschränkt.
Die Vorsitzende BAG-Richterin Anja Schlewing benötigte eine Stunde, um die offenen Rechtsfragen dieses Falles zu skizzieren. „Dürfen Sicherheitsanforderungen per Tarifvertrag konkretisiert werden? Dürfen Unternehmen aus Sicherheitsgründen höhere Anforderungen stellen als unbedingt erforderlich?“ Die Vorsitzende Richterin kündigte an, dass der Fall zunächst dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt werden müsste. Später könnten noch technische Gutachten erforderlich werden. „Das kann noch Jahre dauern“, warnte Schlewing.
Angesichts dieser Aussicht erklärten sich beide Seiten mit einem Vergleich einverstanden.
Die junge Frau studiert zwar inzwischen Volkswirtschaft, hat den Traum vom professionellen Fliegen aber noch nicht aufgegeben. Az.: 8 AZR 638/14
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