Koalition und Asylpaket II: Einigung bei Familiennachzug
Nach langem Streit steht das Asylpaket II, das den Familiennachzug beschränkt. Die Koalition lobt sich selbst, die Grünen finden das alles „sehr bedauerlich“.
Für Flüchtlinge mit eingeschränktem („subsidiärem“) Schutzstatus soll der Familiennachzug nun – wie eigentlich schon im November vereinbart – für zwei Jahre ausgesetzt werden. Allerdings sollen Angehörige, die noch in Flüchtlingscamps in der Türkei, Jordanien und dem Libanon sind, vorrangig mit Kontingenten nach Deutschland geholt werden. Solche Kontingente müssen aber noch auf EU-Ebene vereinbart werden. Diese Sonderregelung zielt vor allem auf Syrer.
„Subsidiär Geschützte“ sind Menschen, die sich nicht auf das Asyl-Grundrecht berufen können und auch keinen Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention genießen, aber dennoch nicht heimgeschickt werden, weil ihnen dort zum Beispiel Todesstrafe oder Folter drohen. Sie bekommen zunächst nur eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr. Es handelt sich um eine relativ kleine Gruppe.
Die Koalition vereinbarte auch bereits weitere Gesetzesvorhaben, wie die Einstufung zusätzlicher Länder als „sichere Herkunftsstaaten“. Bund und Länder wollen außerdem gemeinsam ein Integrationsprogramm erarbeiten.
Reaktionen aus Koalition und Opposition
SPD und Union zeigen sich trotz gegenseitiger Zugeständnisse zufrieden mit der endgültigen Einigung der großen Koalition auf das Asylpaket II. Kompromisse bedeuteten immer, „dass man nicht alles bekommt, was man gerne möchte“, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Die saarländische Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sagte, der Union sei es gelungen, die SPD wieder auf die Linie vom November vergangenen Jahres zu bringen, als das zweite Asylpaket bereits in Grundzügen beschlossen worden war.
CDU-Vize Thomas Strobl sagte, die Christdemokraten seien „prinzipiell immer für Familiennachzug“. Derzeit sei jedoch eine halbe Million Syrer mit Anspruch auf Familiennachzug im Land. „Es sind einfach schlichtweg zu viele“, sagte der CDU-Politiker. Die Entscheidung, den Familienzuzug für Flüchtlinge mit geringerem Schutzstatus zu begrenzen, verschaffe „eine Atempause“.
Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth von den Grünen hat die Aussetzung des Nachzugs von Flüchtlingsfamilien kritisiert. Die Entscheidung der großen Koalition, den Familiennachzug für Flüchtlinge mit einem geringeren Schutzstatus für zwei Jahre einzuschränken, sei „sehr bedauerlich“, sagte Roth am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung maybrit illner. In die reichen Länder des Nordens kämen nicht einmal zehn Prozent jener Menschen, die derzeit weltweit auf der Flucht seien.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière erwartet eine schnelle Umsetzung des Asylpakets II. „Ich hoffe wir können damit nächste Woche ins Kabinett“, sagte der CDU-Politiker am Freitag im ARD-Morgenmagazin.
Die Kanzlerin sagte, die Koalition, aber auch alle staatlichen Ebenen seien „sehr handlungsfähig“ in der Flüchtlingskrise. Merkel, Gabriel und Seehofer hatten sich bereits vor knapp drei Monaten in den Grundzügen auf das Asylpaket II verständigt, das im Wesentlichen die Einrichtung neuer Aufnahmestellen mit Schnellverfahren für bestimmte Flüchtlingsgruppen vorsieht. Über weitere Punkte – vor allem den Familiennachzug - war danach aber großer Streit ausgebrochen.
Neue Regelung für Syrer
Die große Gruppe der Syrer erhält derzeit vor allem Schutz nach der Genfer Konvention. Bald könnten aber auch sie wieder vermehrt nur „subsidiären Schutz“ bekommen. Die SPD hatte Syrer ursprünglich ganz von der Einschränkung beim Familiennachzug verschonen wollen, konnte sich damit aber nicht durchsetzen. Daher nun der Kompromiss mit den geplanten EU-Kontingenten. Die Beschränkung beim Familiennachzug soll nach zwei Jahren automatisch auslaufen.
Auch bei einem weiteren offenen Punkt aus dem Asylpaket einigten sich die Koalitionspartner: Die Eigenbeteiligung von Asylbewerbern für Integrationskurse soll künftig zehn Euro im Monat betragen.
Seehofer erklärte: „Ich bin hoch zufrieden.“ Die Verzögerung habe nicht die CSU zu vertreten, die sich zu jedem Zeitpunkt an November-Vereinbarung gehalten habe. CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagte: „Der Beschluss trägt dazu bei, unser Ziel zu erreichen: die Zahl der Flüchtlinge und Asylbewerber spürbar zu reduzieren.“
Die Koalitionäre verständigten sich zusätzlich darauf, in einem nächsten Gesetzesvorhaben bessere Bedingungen für junge Flüchtlinge zu schaffen, die in Deutschland eine Ausbildung machen. Sie sollen laut Gabriel nach einer erfolgreichen Lehre künftig zwei Jahre in Deutschland arbeiten dürfen.
Sichere Herkunftsstaaten
Union und SPD wollen außerdem Marokko, Algerien und Tunesien als weitere „sichere Herkunftsstaaten“ einstufen, um Asylbewerber von dort schneller wieder in ihre Heimat zurückzuschicken. Die Zahl der Asylbewerber aus Marokko und Algerien war Ende des vergangenen Jahres deutlich gestiegen, die Zahlen aus Tunesien allerdings kaum.
Merkel äußerte sich nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten der Länder zuversichtlich, dass im Bundesrat die nötige Mehrheit für die Einstufung der nordafrikanischen Länder zusammenkommt. „Ich sehe ganz gute Chancen“, sagte sie. Die Bundesregierung werde dazu schnell einen Gesetzentwurf ins Kabinett einbringen.
Bund und Länder vereinbarten außerdem, einen Integrationsplan zu erarbeiten. Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern beider Seiten soll bis Ende Februar erste Eckpunkte und bis Ende März ein Konzept vorlegen.
Die SPD fordert angesichts der hohen Flüchtlingszahlen ein milliardenschweres Programm, um neue Kita-Plätze, Erzieherstellen und Wohnungen zu finanzieren. Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) sagte, über die finanzielle Größenordnung sei noch nicht gesprochen worden. Das sei nun Aufgabe der Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Die Einrichtung der Runde sei ein großer Schritt hin zur „Beherrschbarkeit der Situation“. Ohne die Hilfe des Bundes könnten Länder und Kommunen die Herausforderungen nicht bewältigen.
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