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Konflikt in der TürkeiDeutschland sponsort Gewalt

Grüne und Linkspartei fordern einen Stopp: Alleine 2014 genehmigte die Regierung Export von Rüstungsgütern in Millionenhöhe in die Türkei.

An vielen Orten wird gekämpft – auch mit dem Einsatz deutscher Waffen. Foto: ap

Berlin taz | Als Reaktion auf die Militäroffensive der Türkei in den kurdischen Gebieten fordern die Linkspartei und die Grünen ein sofortiges Ende aller deutschen Waffenlieferungen in das Land. Die Bundesregierung solle sich stattdessen mit aller Kraft für eine Befriedung des Konflikts einsetzen.

„Es muss einen sofortigen Stopp aller Rüstungsexporte in die Türkei geben, sonst macht sich die Bundesregierung mitverantwortlich am Sterben türkischer Bürgerinnen und Bürger“, sagte die Linkspartei-Vorsitzende Katja Kipping der taz. Sie erwarte von der schwarz-roten Koalition „ein klares Signal gegen den politischen Kurs von Erdoğan“.Der heble die demokratischen Grundrechte aus, stürze sein Land ins Chaos und führe inzwischen einen offenen „Vernichtungskampf gegen die Kurdinnen und Kurden“, sagte Kipping. Die Bundesregierung dürfe nicht länger das „System Erdoğan“protegieren.

In den kurdischen Städten tobe „ein brutaler Bürgerkrieg“, sagte die grüne Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth. Das Schweigen der deutschen Regierung und der EU zu dem gewaltsamen Vorgehen des türkischen Militärs sei eine „Preisgabe gemeinsamer europäischer Werte“.

Damit würden sich nun „die Abgründe des Deals“ auftun, den die EU mit Erdoğanzur Zurückdrängung von Flüchtlingen geschlossen habe. „Den Preis für die Abschottungspolitik der EU zahlen jetzt zahlreiche Menschen in den betroffenen Städten – viele auch mit ihrem Leben“, sagte Roth der taz.

Die Türkei ist ein guter Kunde

„Den Einfluss, den Merkel und Steinmeier zur Abwehr von Flüchtlingen auf Erdoğanausgeübt haben, müssen sie nun auch endlich zugunsten der Menschen in den kurdischen Gebieten nutzen“, forderte die Grüne. Außerdem wies sie auf die Vorgaben der Rüstungsexportrichtlinie der Bundesregierung hin. Die blieben richtig. Danach darf es weder Lieferungen in Kriegs- und Krisengebiete geben noch an Länder, in denen die Menschenrechte verletzt werden. „Das gilt auch für Nato-Mitglieder – also auch für die Türkei“, sagte Roth.

Der türkische Staat ist ein guter Kunde der deutschen Rüstungsindustrie. Allein im Jahr 2014 erteilte die Bundesregierung 336 Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter im Wert von 72.445.432 Euro. Zu den genehmigten Lieferungen zählten Maschinen- und Scharfschützengewehre, Granatwerfer, Revolver und Pistolen samt Munition, Waffenzielgeräte, Mündungsfeuerdämpfer, Teile für Panzer, gepanzerte Fahrzeuge und Panzerhaubitzen, für Flugkörper und Raketen.

Und trotz des vollmundigen Versprechens von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), eine restriktivere Rüstungsexportpolitik betreiben zu wollen, erteilte die Bundesregierung auch in diesem Jahr in den ersten sechs Monaten bereits wieder Ausfuhrgenehmigungen an die Türkei im Wert von 23.512.760 Euro.

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4 Kommentare

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  • "Deutschland sponsort Gewalt"

     

    Ja und nicht nur das, Angela Merkel im Verbund mit der SPD löst die gemeinsamen Werte der EU noch weiter auf, wenn sie gerade dieser Türkei bei dieser Menschrechtsbilanz ernsthafte Aufnahmeverhandlungen für diese EU anbietet.

     

    Wer will so ein Land in der EU haben?

     

    Ich finde, dass Ungarn schon unerträglich ist, aber das hier schießt ja sogar noch darüber, weil hier blind ethnisch getötet wird, letztlich nur aus dem Grund, damit Erdogan an der Macht bleibt und sein großes außenpolitisches Projekt, Kontrolle über Syrien, Regimewechse, islamisches Regierungssystem in Damaskus, fortführen kann.

     

    Und diese Politik funktioniert nicht - die Türkei ist schon lange in Syrien gescheitert, sie hat über die Grenze durch die YPG eine Art PKK-Staatsgebiet vor der Nase und glaubt, dass diese Tatsache ausreicht, im eigenen Land Kurden allgemein verfolgen zu können. Die SPD sollte diese Regierung verlassen, wenn sie ihre Position zu Frieden und Sicherheit ernst meint.

     

    Und die Türkei ist weiter von der EU entfernt als jemals zuvor. Dieses Land will dezidiert die islamische Pseudodemokratie inklusive Druck auf Christen, Juden, wil Atheismus verbieten und bis die Wohn- und Schlafzimmer hinein regieren. Diese AKP hat längst eine totalitäre Wendung genommen und plant eine umfassende Islamisierung.

     

    Allerdings fördert die gleiche Partei in Berlin, Köln und Hamburg radikal Rechte für Minderheiten inbs. Muslime ein. Die EU muss die Türkei unter Druck setzen, nicht anheizen.

    • @Andreas_2020:

      ..."Die SPD sollte diese Regierung verlassen, wenn sie ihre Position zu Frieden und Sicherheit ernst meint."...

       

      wie darauf du kommen?...die spd ist doch von 'ernst-frieden-sicherheit' aber aller-aller-aller spätestens seit der verdoppelung der versprochen halbierten rüstungsexporte soweit entfernt, wie ein igel von der benutzung von toilettenpapier!!!

       

      ...was eine abstruse unterstellung...

  • mehr als die Hälfte der erwähnten Rüstungsexporte landen über die Türkei letztlich bei bewaffneten Rebellengruppen und Islamisten wie ANhar AL Sham und Jaish al Islam und das weiß die Bundesregierung auch selbst. Langsam wird die Doppelkzüngigkeit pervers.

    • @john doe:

      Warum "langsam ..."?

       

      Das stinkt zum Himmel, das ist doppelzüngig und verlogen ... .

       

      Ja, natürlich, wenn Deutschland nicht liefert, kauft die Türkei und die anderen woanders ein, deutsche Rüstungsunternehmen machen keinen Umsatz, keinen Gewinn, die Steuereinnahmen fehlen, die Unternehmenskosten müssen gesenkt, vor allem die Personalkosten müssen vermindert werden ... .

       

      Trotzdem, es ist und bleibt verlogen, doppelzüngig, perverse ... .

       

      Ein moderner Staat und innovative Unternehmen werden doch wohl in der Lage sein, anders Umsatz und Gewinn zu machen, wodurch sie Steuern zahlen und die Arbeitsplätze sowie Einkommen ihrer Beschäftigten sichern können. Oder nicht?