Drohnen über Peking: Der Himmel über China
Drohnen kämpfen in China gegen Smog, sprühen Pestizide, überwachen Menschen. Um sie zu steuern, braucht man einen Flugschein.
Es brummt draußen vor dem Klassenzimmer, und das liegt an einem Fußball mit sechs Armen, an deren Ende sich Propeller drehen. Genau gesagt, handelt es sich bei dem Objekt um eine Drohne. Da schwebt es nun, dieses riesige Elektro-Insekt, pendelt nach links, dann nach rechts.
Doch Xi Honggang, 24 Jahre, lässt sich nicht ablenken. Gerade eben hat er sich eine Fernsteuerung um den Hals gehängt. Jetzt umfasst er sie mit beiden Händen, beißt auf seine Lippe und starrt auf den Bildschirm vor sich. Der zeigt ein Maisfeld, über dem ein Mini-Helikopter schwebt.
Den lässt Honggang jetzt in möglichst geradlinigen Bahnen über das Feld fliegen, nach hinten und wieder nach vorn. Genau wie die rund 20 anderen Jungs zwischen 18 und 30 Jahren, die vor den Schreibtischen um ihn herum stehen.
„Legt die Fernsteuerung an eure Hüfte an und bewegt die Hebel vorsichtig zwischen Daumen und Zeigefinger“, sagt Zeng Jun, Mitte 50, blauer Overall. „Ein kleiner Impuls genügt und ihr seid weg vom Feld“, warnt er. Seit 17 Jahren fliegt er Drohnen. Nun ist er Drohnenfluglehrer an der Drohnenflugschule der Drohnenfirma Beijing TT Aviation Technology. Nur eine von landesweit 42 Schulen dieser Art. Der praktische Kurs, den er in diesem Neubau am Stadtrand von Peking anbietet, ist Teil einer zweiwöchigen Ausbildung.
Drohnen über Mais- und Getreide
In Deutschland sind Drohnen noch immer vor allem eine Spielerei für Technikfans. In China hingegen nimmt man es ernst mit den sogenannten UAV – unbemannten Flugzeugen. China ist nicht nur Sitz der Drohnenfirma JDI, die 70 Prozent aller kommerziell genutzten Drohnen weltweit produziert. Auch auf dem chinesischen Binnenmarkt steigt die Nachfrage: In der Provinz Henan ließen zwei Schulen im vergangenen August erstmals Eignungstests mithilfe von Drohnen überwachen. Und bereits im letzten Jahr flogen die ersten Drohnen über Peking, um die Stadt mithilfe von Chemikalien von ihrer Smogglocke zu befreien.
Drohnenflugschüler Honggang sieht in dieser Technologie eine Riesenchance: „Ich will eine Firma gründen, die auf Drohnendienste spezialisiert ist“, sagt er. Er hat zwar schon zwei Jahre lang für eine Agrarfirma Drohnen mit Pestiziden über Mais- und Getreidefelder gesteuert. Aber die waren klein. Zu klein, um als Pilot Karriere zu machen. Und Piloten, die eine Drohne von mehr als sieben Kilogramm oder in einer Höhe von über 120 Meter fliegen lassen, brauchen dafür einen Flugschein. So schreibt es die chinesische Flugbehörde CAA vor.
Zwei Wochen lang bereitet Honggang sich auf die Prüfung vor, in der ihn die chinesische Flugzeugbesitzer- und Pilotenvereinigung Apoa mündlich, schriftlich und praktisch testen wird. Sechzig junge Leute aus ganz China, darunter nur drei Frauen, absolvieren den Kurs mit ihm. Sie übernachten alle im gleichen Hotel, jeden Morgen und Abend werden sie in Bussen hin- und hergekarrt.
8.000 Yuan kostet der Kurs, das sind etwa 1.130 Euro – eine Menge Geld, wenn man bedenkt, dass das durchschnittliche Jahreseinkommen in Chinas Städten etwa 3.500 Euro beträgt. Doch Honggang glaubt, dass er sein Geld gut investiert hat: „Als Berufsanfänger verdient man mit dem Drohnenfliegen umgerechnet mindestens 780 Euro pro Monat – und später locker das Doppelte“, sagt er.
Drohnen über Demonstranten
Bevor sie draußen Drohnen steuern dürfen, müssen Honggang und seine Mitschüler zwanzig Stunden lang vor dem Computerbildschirm trainieren. Etwa mit dem helikopterähnlichen Remo, unter den man Kameras hängt, um zum Beispiel Überlebende nach einem Erdbeben aufzuspüren. Mit dem M6, der gerade vor dem Fenster vorbeigeschwebt ist – dem Allrounder, der Pestizide über Felder oder Tränengas über Demonstranten spritzen kann. Und mit dem SP, der aussieht wie ein Segelflugzeug und vor allem zum Spähen verwendet wird.
Die Schüler lernen, die Drohnen aufsteigen und sanft landen zu lassen. Sie üben 90-Grad-Kurven, lernen, auf der Stelle zu fliegen. Und zwei Klassenzimmer weiter zerlegt derweil Zeng Jun die M6. Wie ein Riesenkrebs auf dem Operationstisch liegt sie vor ihm, als er vorsichtig die Plastikhaube, die den Körper der Drohne verkleidet, abschraubt. Darunter verbirgt sich ein Akku. „Das ist ihr Herz“, sagt Jun. „In ihm steckt fast das ganze Gewicht dieser 3-Kilo-Drohne. Deshalb müssen die Arme hier so leicht sein, sonst könnte die M6 nicht 2,5 Kilo Tränengas transportieren.“
Während Zeng Jun die Gerätschaft seziert, sortiert Yang Yi, 38, seit 2008 Geschäftsführerin der Firma Beijing TT Aviation Technology, die Visitenkarten ihrer Kunden. Hinter dem massiven Holzschreibtisch ihres Büros mit all den Buddha- und Drachenstatuen, über dem auch noch zwei Mao-Bilder hängen, wirkt sie ganz klein. Jetzt faltet sie ihre Hände, beugt sich vor und sagt: „Man kann Drohnenpiloten mit Autofahrern vergleichen. Sie müssen beide ihre Fähigkeiten trainieren und die Regeln kennen, bevor sie starten“, sagt sie. „Deshalb haben wir eine Schule eröffnet“.
Der Andrang, so Yi, sei enorm: Statt der vorgesehenen dreißig SchülerInnen schleust sie alle zwei Wochen mehr als doppelt so viele durch die Ausbildung. „Der Bedarf an Drohnenpiloten ist hoch“, sagt sie. 10.000 Piloten würden im nächsten Jahr gebraucht, die Hälfte davon allein in der Landwirtschaft: „China hat sehr große Anbauflächen.
Drohnen über den Städten
Aber die Arbeiter werden weniger und teurer“, sagt Yi. Deshalb sollen in Zukunft Drohnen Pestizide oder Düngemittel spritzen. Und auch die Polizei nutzt zunehmend Drohnen für Patrouillen – auch wenn es bislang noch an Leuten fehlt, die sie auch steuern können, erklärt Yi. Denn bisher hätten erst 1.000 Drohnenpiloten eine professionelle Ausbildung durchlaufen.
Es klopft an der Tür des Büros. Wu Haining, stellvertretender Vorsitzender der Kartografiefirma Shandong Qihang Surveying and Mapping Technology, ein Kunde, will sich die Produktion ansehen. Yi führt ihn durch die Werkstätten, die gleich neben ihrem Büro liegen. Junge Männer im blauen Overall löten Kabel an langen Tischen, daneben werden Arme an Drohnen geschraubt, es riecht nach Kupfer und Plastik.
Haining deutet auf einen halbfertige Remo-Drohne und erklärt: „Wir haben Trainer engagiert, die uns lehren, diese Drohnen zu fliegen. Wir sind auf sie angewiesen.“ Mit Hilfe der Drohnen habe seine Firma einen riesigen Onlinedatenpool mit Fotos aufgebaut. Den nutze beispielsweise die Regierung, um die Bevölkerungsstruktur, die Städteplanung oder die öffentliche Sicherheit zu analysieren.
Das Angebot an Fluggeräten steigt und sie werden zunehmend günstiger. So können sich auch immer mehr Hobbypiloten eine Drohne oder ferngesteurte Flugzeuge leisten. Auf der Startbahn vor der Schule, eingekeilt zwischen einer Zementfabrik und einer Wiese, auf der Schafe weiden, haben drei Bastler ihre Campingstühle aufgeklappt. Stolz führen sie ihre selbstgebauten Styroporflugzeuge vor. „Für uns ist das ein Spielzeug, nichts weiter. Wir benutzen es nur zur Unterhaltung“, sagt einer von ihnen lächelnd. „Aber innerhalb des 6. Rings von Peking dürfen wir jetzt nicht mehr ohne Genehmigung fliegen“.
Der Grund? Schon jetzt sind viel zu viele Drohnen im Luftraum über Peking.
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