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Ein Denkmal für Magnus Hirschfeld

Gedenken Des Pioniers der Sexualwissenschaft soll endlich öffentlich gedacht werden – und damit der ersten homosexuellen Emanzipationsbewegung. Noch bis Sonntag sind die Entwürfe dafür zu sehen. Das „Denkmal für Magnus“ soll 2016 enthüllt werden

Die Eröffnung der Ausstellung „Denkmal für Magnus“ war ein Szeneevent; hier queere Nonnen des Ordens der Schwestern der Perpetuellen Indulgenz (aktiv in der Aidsarbeit) Fotos: M. Lopes

von Frank Hermann

Nächstes Jahr soll ein „Denkmal für Magnus“ am Spreeufer eingeweiht werden. Genau genommen nicht allein für den Pio­nier der Sexualwissenschaften, sondern eines, das an die erste homosexuelle Emanzipationsbewegung erinnert, die Hirschfeld auf den Weg gebracht hat.

Jahrelang war auf Initiative des Lesben und Schwulen-Verbands Berlin-Brandenburg e. V. (LSVD) Geld gesammelt worden. Im Varieté Wintergarten gab es mehrere Galas unter dem Motto „Stars für Magnus“, Privatpersonen gaben zusätzlich Geld, und die Klassenlotterie sponserte den Rest. Mit der Universität der Künste (UdK) war eine Partnerin gefunden worden, mit deren Hilfe die gestalterische Arbeit in Gang kam. Federführend dabei: Dozent Wolfgang Knapp.

Nun sind fünf Entwürfe für das Denkmal im Haus der Kulturen der Welt zu besichtigen. Eine kluge Standortwahl, denn auf diesem Areal befand sich einst das Institut für Sexualwissenschaft. Die Entwürfe stammen von einem Team aus AbsolventInnen internationaler Kunsthochschulen, die im Rahmen postgradualer Studien ihre künstlerischen Kompetenzen bündelten. Die neun Beteiligten kommen aus den Bereichen Kunst, Architektur, Medien und Design. China, Deutschland, England, Griechenland, Bosnien-Herzegowina und Nepal sind ihre Herkunftsländer.

Magnus Hirschfeld

Geboren 1868 in Kolberg, stammt aus einer jüdischen Familie und zählt zu den Pionieren der Sexualwissenschaften,die Ende des 19. Jahrhunderts in Europa und Nordamerika entstanden.

Die Welt verdankt Magnus Hirschfeld als Arzt und Sexualwissenschaftler die erste homosexuelle Emanzipationsbewegung. Maßgeblich daran beteiligt war das 1897 entstandene Wissenschaftlich-humanitäre Komitee (WhK), dessen Mitgründer und Leiter Hirschfeld war. Es war die weltweit erste Organisation, die sich zum Ziel setzte, sexuelle Handlungen zwischen Männern zu entkriminalisieren.

Mit seinem Institut für Sexualwissenschaft, 1919 errichtet, erforschte Hirschfeld nicht nur die „sexuellen Zwischenstufen“, sondern bereitete den Weg zur Abschaffung des Paragrafen 175.

Von 1899 bis 1923 gab Hirschfeld 23 Jahrgänge der Zeitschrift Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen heraus. Von MitstreiterInnen wurde der Gelehrte inoffiziell und liebevoll „Tante Magnesia“ genannt.

1933 vernichteten die Nationalsozialisten das Institut, Hirschfeld jedoch hatte Deutschland bereits 1931 verlassen und kehrte nie zurück – er starb 1935 im Exil in Nizza. (fh)

Wetterfest soll es sein

Die Kriterien für die Denkmalgestaltung waren unter anderem Wetterbeständigkeit und umweltschonende Materialien. Auch geringe Wartungskosten – schließlich ist Berlin immer noch sexy, aber nichtsdestotrotz arm – spielten eine Rolle. Visualisiert werden sollte der „positive Ansatz der homosexuellen Emanzipationsbewegung und deren Sichtbarkeit“.

Indessen braucht es schon Vorstellungskraft, um die endgültige Wirkung der Kunstwerke zu erahnen, denn statt anschaulicher Modelle gibt es mehrheitlich Schautafeln mit Simulationen zu sehen. Die Entwürfe sind nicht namentlich gekennzeichnet. Nicht aus falscher Bescheidenheit oder gar aus Scham, sondern weil alles im Teamwork entstanden sei, wie Mitgestalter Martin Binder erzählt. „Es ist alles eine Gemeinschaftsarbeit, somit eine innovative Form des Wettbewerbs, weil die Entwürfe gegeneinander antreten und nicht wir als Personen. Das sind jetzt die Entwürfe, auf die wir uns als Gruppe geeinigt haben, und die sind auch von allen bearbeitet worden.“

Im Sommer 2014 hatte das erste Treffen mit dem LSVD stattgefunden, seitdem lief der gestalterische Prozess. Kenntnisse über Hirschfeld hatten die wenigsten, aber die unvoreingenommene Herangehensweise habe dann doch viele Rechercheergebnisse gezeitigt, deren „Zuspitzung auf die jetzt vorliegenden Entwürfe hin“ in der Schau dokumentiert sind.

Hirschfeld wurde beschimpft, geschmäht und – nicht zuletzt als Jude – aus Deutschland verjagt

Binders chinesische Kollegin Xue Wang bestätigt, dass ihr die Arbeit neue Erkenntnisse gebracht hat und sie die Herausforderung gern angenommen habe. Eine Prognose, welcher Entwurf gewinnen könnte, wagen beide nicht, denn sie seien zu sehr in den Prozess involviert, um eine objektivere Außensicht einnehmen zu können.

Lauter Zwischenstufen

Was die sexuelle Orientierung, das persönliche Commitment als Minderheitenzugehörige der KünstlerInnengruppe angeht, erläutert Martin Binder: „Nach Magnus Hirschfeld gibt’s ja 3 hoch 16 sexuelle Zwischenstufen, so viele sind wir zwar nicht gerade, aber wir sind bunt gemischt“ – und lacht.

Blumen für Hirschfeld – einer der fünf Entwürfe: „Calla“

Die fünf Entwürfe sind betitelt mit „Schutzwelle“, „Kratzen“, „Prisma“, „Calla“ und „Zwischenstufen“. Letzterer greift mit seinen unterschiedlich graduierten Stufen Hirschfelds Theorie der sexuellen Zwischenstufen ganz direkt auf. „Prisma“ lässt eine Laterne aus der Zeit der Weimarer Republik Spektrallicht auf eine Bodenplatte werfen.

„Kratzen“ besteht aus sechs gekrümmten Metallstreifen, die sich verändern: Durch Abkratzen der oberen Schicht kommen unterschiedliche Farben zum Vorschein. Kratzen ist hier also erwünscht. Der Entwurf erinnert an den wiederholten ganz und gar unerwünschten Vandalismus an den bereits vorhandenen Hirschfeld-Gedenktafeln (siehe Kasten).

Stele, Ufer, Denkmal

In Charlottenburg erinnert eine Gedenkstele an der Otto-Suhr-Allee 93 an Magnus Hirschfeld. Dort lebte der Wissenschaftler von 1896 bis 1910. In seiner Wohnung wurde 1897 das Wissenschaftlich-humanitäre Komitee (WhK) gegründet.

Die Adressen des Instituts für Sexualwissenschaft waren In den Zelten 9 und 10 sowie in der Beethovenstraße 3 (heute nahe Haus der Kulturen der Welt) in Tiergarten. 2008 wurde der Abschnitt des Spreeufers zwischen Moltkebrücke und Kanzlergarten in Magnus-Hirschfeld-Ufer umbenannt. Seit 2011 stehen an diesem Abschnitt des Spreeufers zwei Gedenktafeln,die an die erste homosexuelle Emanzipa­tionsbewegung erinnern. Gegenüber dem Kanzlerinnenamt wird der Standort des Denkmals für diese Bewegung sein.

Die fünf Entwürfe sind bis 15. November im Haus der ­Kulturen der Welt zu sehen. (fh)

Prominent besetzte Jury

Bis Sonntag ist die kleine Ausstellung im Haus der Kulturen der Welt zu sehen. Eine Jury wird den den Gewinner küren. Sie ist unter anderen besetzt mit Dr. Berndt Schmidt, dem Intendanten des Friedrichstadt-Palasts, Silvia Fehrmann, der Leiterin Kommunikation und Kulturelle Bildung im Haus der Kulturen der Welt, und dem Unternehmer Daniel Wall (Wall AG/Bündnis gegen Homophobie). VertreterInnen queerer Institutionen oder schwul-lesbische Persönlichkeiten sind nicht im Entscheidungsgremium. Das liegt zum einen daran, dass einige Angefragte wie beispielsweise Rosa von Praunheim aus Termingründen nicht zur Verfügung standen.

„Zwischenstufen“: Sinnbild für die Theorie der sexuellen Zwischenstufen

Warum der LSVD nicht dabei ist, erklärt Geschäftsführer Jörg Steinert damit, dass der Verein während der vergangenen Jahre sehr involviert und aktiv gewesen sei, sodass er sich nun quasi vornehm zurückhält. Der Verein habe sich bewusst rausgehalten, sagt LSVD-Vorstandsmitglied Ulrich Keßler dazu. Man habe nicht auf „Betroffenheitskompetenz“ gesetzt bei der Auswahl der Jurymitglieder. Was ja dann auch wieder irgendwie emanzipatorisch ist.

Der ehemalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit würdigte bei der Ausstellungseröffnung – mit viel Szenepu­blikum – am vergangenen Donnerstag den Stand der Dinge als weiteren großen Schritt in der Geschichte der Gleichberechtigung. Schließlich sei das Wissenschaftlich-humanitäre Komitee die Wiege der ersten schwulen Emanzipationsbewegung in der Geschichte gewesen.

Wowereit betonte nicht nur die herausragende Arbeit von Dr. Hirschfeld, sondern erinnerte auch daran, dass dieser für seine Arbeit beschimpft und geschmäht und letzten Endes – nicht zuletzt als Jude – aus Deutschland verjagt wurde.

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