: Schadensbegrenzung bei der Union
Krach Bei einer Fraktionssitzung zu Flüchtlingen am Dienstag geht es hart zur Sache. Angela Merkel muss einiges einstecken. Dennoch gibt es zu ihrem Kurs keine Alternative
BERLIN taz | Tags darauf wirkt der Schreck noch nach. Am Mittwoch nach dem großen Krach bemüht sich die Unionsfraktion im Bundestag um Schadensbegrenzung. Vizefraktionschef Thomas Strobl besteht im „ZDF-Morgenmagazin“ darauf, dass man sich ja wohl noch untereinander streiten dürfe, „ohne dass man gleich die Kanzlerin in Frage stellt“. Und der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach beeilt sich, dem Fernsehsender N24 zu sagen: „Die Kanzlerin kann sich auf die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nicht zu achtzig Prozent verlassen, sondern zu hundert Prozent.“
Nun verhält es sich aber so, dass die von Beobachtern als historisch bezeichnete Sitzung vom Dienstag weit mehr war als irgendein Streit. Sie war ein schwerer Schuss vor den Bug der Kanzlerin. Dafür reicht es bei der Union schon, wenn Angela Merkels KritikerInnen deutlichen Applaus ernten. Mehrere Parlamentarier hatten in der Sitzung verlangt, Flüchtlinge aus sogenannten sicheren Drittstaaten noch an der deutschen Grenze abzuweisen. „Wir dürfen nicht die weiße Fahne hissen“, sagte laut Teilnehmerangaben der CDU-Innenpolitiker Clemens Binninger. Der CSU-Abgeordnete Hans-Peter Uhl forderte: „Wer kontrolliert, muss auch zurückweisen können.“
Die Kanzlerin hielt dagegen und machte deutlich, dass sie zwar für die Einrichtung sogenannter Transitzonen sei – aber nicht dafür, Flüchtlinge abzuweisen. Ein solches Vorgehen würde die innenpolitischen Spannungen vor Ort nur zusätzlich verschärfen.
An diesem Donnerstag wird Merkel um 9 Uhr eine Regierungserklärung zum bevorstehenden Europäischen Rat abgeben. Nach Merkels Rede steht dann die zweite und dritte Lesung des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes auf der Tagesordnung des Parlaments. Bereits am Freitag soll der Bundesrat über das Gesetz abstimmen, das schon jetzt zahlreiche handwerkliche Mängel enthält. Dass Angela Merkels Fraktion dieses Gesetz durchwinken wird, steht aber bereits fest. Bei der Probeabstimmung am Mittwochabend billigten die Unions-Abgeordneten das Asyl-Paket einstimmig.
Diese hundert Prozent Zustimmung zeigen einerseits, wie schnell Schwarz-Rot Gesetze zu erarbeiten vermag, wenn es um die Standards für Flüchtlinge geht. Aber auch, wie alternativlos Angela Merkels Handeln in der Flüchtlingsthematik ist. Die Zeit der einfachen Lösungen scheint definitiv vorbei. Das wissen auch ihre Kritiker unter den Abgeordneten.
In den zurückliegenden anderthalb sitzungsfreien Wochen waren viele unter ihnen in ihren Wahlkreisen unterwegs und haben dort den enormen Druck ihrer Basis zu spüren bekommen. Geschlossene Turnhallen, überforderte Verwaltungen, Wohnungsknappheit – alles Argumente gegen weitere Flüchtlinge.
Einem offenen Brief, der vor Wochenfrist von 34 CDU-KommunalpolitikerInnen unterzeichnet wurde, haben sich mittlerweile mehr als 120 PolitikerInnen angeschlossen, unter ihnen auch Landesvertreter. Dass die Umfragewerte der Kanzlerin aktuell die schlechtesten seit der Bundestagswahl 2013 sind, macht viele zusätzlich nervös. In fünf Monaten werden in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz neue Landtage gewählt.
Anja Maier
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