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Naziaufmarsch ausgebremst

Demo In Treptow-Köpenick wollten NPD-Anhänger vor ein Flüchtlingsheim im Johannisthal marschieren. Hunderte Gegner blockierten den Weg und schickten die Rassisten vorzeitig nach Hause. Die Flüchtlinge dankten und überreichten Blumen

von Andreas Wolf

Rückschlag für die NPD Berlin-Brandenburg: 150 Rassisten verpassten bei einer Demons­tration in Treptow-Köpenik am Montag ihr Ziel, vor dem Flüchtlingswohnheim im Johannis­thal aufzumarschieren. 600 Gegendemonstranten blockierten den Weg, zwangen die NPD-Anhänger zum Rückzug. Während der dreistündigen Veranstaltung gab es weder Ausschreitungen noch Verletzte.

Zur Gegenkundgebung aufgerufen hatte die Initiative „Uffmucken“. Sie kritisierte, dass der NDP erlaubt wurde, direkt vor der Flüchtlingsunterkunft zu demonstrieren. „Für uns ist das ein Riesenskandal“, sagte Tina Böhm, Sprecherin von „Uffmucken“. Es sei „unverantwortlich, einen Nazi-Aufmarsch in den Abendstunden in der Nähe einer Unterkunft für Geflüchtete enden zu lassen“.

Die Ziele der Gegendemons­tranten: Präsenz zeigen und die Fremdenfeinde vom Wohnheim fernhalten – zur Not mit Sitzblockaden. Mehrere Organisationen folgten dem Aufruf zum Aufmucken, unter anderem das Bündnis für Demokratie und Toleranz Treptow-Köpenick, der Runde Tisch Johannisthal, mehrere Antifa-Gruppen, die Initiativen Berlin gegen Nazis und Johannisthal hilft sowie PolitikerInnen der SPD und Linken.

Polizei mit Großaufgebot

Die NDP-Route zum Flüchtlingswohnheim an der Pilotenstraße führte vom S-Bahnhof Schöneweide über den Großen Berliner Damm. Die Polizei war mit einem Großaufgebot angerückt. Sie trennte beide Protestgruppen bereits bei der Ankunft in der Bahnhofshalle; allein an der Ecke Sterndamm/Südostallee standen 25 Einsatzwagen. Dort kam es eine Stunde nach Demobeginn zum ersten Sichtkontakt beider Gruppen.

Früh hatten sich am Sterndamm Hunderte Gegendemonstranten versammelt, um auf 150 NDP-Anhänger zu warten. Empfangen wurden sie mit einem bunten und lauten Protest aus Plakaten, Schildern, Sprechchören, Reggae-Beats, Trommeln, einem Dudelsack.

NPD gibt auf

Fast alle Gegendemonstranten folgten den Nazis zum Flüchtlingsheim. An der Nieberstraße, einen Block vom Wohnheim entfernt, trafen beide Gruppen ein zweites Mal in Sichtweite aufeinander. Dort aber konnte der NPD-Zug nicht an den Protestgegnern vorbeilaufen. 600 Menschen blockierten minutenlang, teils sitzend und singend, die Straße – und so den Weg zum Wohnheim.

Die NPD zog sich zurück und gab auf. Sie wurde von der Polizei zurück zum Bahnhof begleitet. Die Protestgegner hatten ihre Ziele erreicht.

Die meisten Gegendemonstranten liefen nach der aufgelösten Demo nicht nach Hause, sondern weiter zur Flüchtlingsunterkunft. Sie klatschten und jubelten den BewohnerInnen zu, die, von der positiven Stimmung angelockt, zu Dutzenden aus ihren Zimmerfenstern schauten und zurückwinkten. „Dankeschön!“, rief ein Mann mit Kind auf dem Arm den Besuchern entgegen. Auf der Treppe vor der Eingangstür feierten sich Flüchtlinge und ihre UnterstützerInnen gegenseitig. Ein Heimbewohner eilte aus der Haustür und überreichte einen Blumenstrauß. Mit „Say it loud, say it clear, refugees are welcome here“-Gesängen verabschiedeten mehrere hundert BerlinerInnen die Flüchtlinge in die Nacht.

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