Der Hetzer von nebenan

NPD Rico Rentzsch heizte im sächsischen Heidenau Anti-Asyl-Krawalle an. Der Maurer und NPD-Mann folgte einer Strategie seiner Partei

BERLIN taz | Rico Rentzsch steht wieder mal mittendrin. In grauem Pullover und Jeans hält der 27-jährige Maurer im August eine Rede auf einer Demonstration in seiner Heimatstadt, dem sächsischen Heidenau. Rund 1.000 Teilnehmer lauschen dem NPD-Mann. Es wehen schwarz-weiß-rote Fahnen und ein „Nein zum Heim“-Banner. Gegen die geplante Flüchtlingsunterkunft brauche es zivilen Ungehorsam, soll Rentzsch aufgerufen haben.

Was folgt, ist bekannt: Lokale und angereiste Neonazis randalieren zwei Nächte vor der gerade bezogenen Asylunterkunft. Böller und Steine fliegen, 31 Polizisten werden verletzt. Es ist eine Eskalation mit Vorlauf.

Im Juni 2014 wird Rentzsch bei der Kommunalwahl des 16.000-Einwohner-Orts mit 1.250 Stimmen in den Stadtrat gewählt. Dabei ist Rentzsch wegen eines versuchten Überfalls auf drei linke Jugendliche 2008 verurteilt. Sein Mandat nutzt er vor allem für Stimmungsmache gegen Asylbewerber. Schon im November organisiert er eine Demonstration „gegen die Asylflut“. Im Ort verteilt er Flyer gegen Flüchtlinge, veranstaltet einen Lampionumzug für deutsche Kinder, „unsere Zukunft“. Im Stadtrat fragt Rentzsch, ob Flüchtlinge die Hilfsorganisation Tafel besuchten.

Gleichzeitig ist er offenbar an der Facebook-Gruppe „Heidenau hört zu“ beteiligt. Schritt für Schritt verschärft sich dort der Ton. Irgendwann wirbt die Gruppe offen für die NPD und zitiert Rentzsch. „Geredet wurde lange genug“, schreibt der. „Jetzt ist Zeit zu handeln.“ Auf seiner Demonstration vor den Krawallnächten werden Zettel herumgereicht: In Kleingruppen soll man zur Asylunterkunft gehen, um eine Blockade durchzuführen. Die Heidenauer folgen.

Rentzsch folgt damit der Strategie seiner Partei. Die NPD steckt in der Krise: Sie erlitt Wahlschlappen, bundesweit hat sie nur noch 5.200 Mitglieder, die Kassen sind leer. Kommunal ist sie im Osten Deutschlands aber vielerorts weiter verankert, 97 Mandate sind es allein in Sachsen. Nun setzen die Neonazis ganz auf das Thema Flüchtlinge. Die NPD organisiert Kundgebungen gegen Unterkünfte, wettert über „Scheinasylanten“ und „Sozialtouristen“.

Für die Länder ist das auch Futter für das NPD-Verbotsverfahren. Ende August lieferten sie dem Bundesverfassungsgericht 140 Seiten Material nach. Die NPD verfolge das Ziel einer „ausschließlich rassisch definierten ‚Volksgemeinschaft‘“, heißt es dort. Sie scheue nicht vor „Einschüchterung und Gewaltanwendung“ zurück.

Sicherheitsbehörden sehen auch einen Zusammenhang zu den jüngsten Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte: Dort, wo die NPD stark sei, komme es oft auch zu Krawall. So gab es in Freital, Dresden, Tröglitz oder im bayerischen Goldbach NPD-Aktionen gegen Flüchtlinge – und später auch Gewalt. Oder in Heidenau. Ihren dortigen Stadtrat Rico Rentzsch lobt die NPD offen als „einen der führenden asylmissbrauchskritischen Aktivisten“. Der kündigte an, man werde die Proteste „weiterführen“. Konrad Litschko