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Religiöse Fanatiker in HamburgSalafisten werben bei Flüchtlingen

In Hamburg haben Salafisten versucht, Flüchtlinge anzuwerben. Der Verfassungsschutz will nicht von einer gezielten Kampagne sprechen.

Bereit, ihre Botschaft zu verbreiten: Salafisten an den Hamburger Messehallen Foto: privat

Hamburg | taz Augenzeugenberichten zufolge haben sich am vergangenen Sonntag Salafisten vor den Hamburger Messehallen eingefunden, um Korane an Flüchtlinge zu verteilen. Der einschreitende Sicherheitsdienst sowie sich vor Ort befindende HelferInnen sollen beschimpft und bedroht worden sein.

„Ich habe eine Auseinandersetzung zwischen dem Sicherheitspersonal und den Salafisten mitbekommen“, berichtet die Augenzeugin Anna Meier*, die sich zu dem Zeitpunkt an den Messehallen befand. Sie ist eine freiwillige Helferin bei der Unterkunft.

Die Salafisten seien mit der Forderung an den Sicherheitsdienst herangetreten, 1.500 Korane und Fladenbrote den Flüchtlingen spenden zu wollen. Der Sicherheitsdienst untersagte ihnen jedoch den Zutritt. Daraufhin habe eine Gruppe jüngerer, weiblicher Salafistinnen einen Sichtschutz, herunter gerissen. Ziel sei es gewesen, Korane in das Innere der Messehallen zu reichen. Ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes soll die Gruppe daraufhin des Platzes verwiesen haben.

Die Fraktionsvorsitzende der Hamburger Linken, Cansu Özdemir, bestätigt den Vorfall. „Mich hat ein weiterer Augenzeuge angerufen und erzählt, dass mehrere Autos der Salafisten vor den Messehallen vorgefahren sind“, berichtet Özdemir. Sie habe dem Augenzeugen Fotos gezeigt, auf denen einige Salafisten in der Mönckebergstraße im Rahmen der „Lies!“-Kampagne Korane an Passanten verteilten. Der Augenzeuge habe daraufhin einen der Anwesenden eindeutig identifiziert.

Salafismus in Hamburg

Das salafistische Gesamtpotenzial in Hamburg beträgt nach Auskunft des Landesamtes für Verfassungsschutz rund 460 Menschen.

270 Personen aus diesem Kreis werden dem dschihadistischen Flügel zugerechnet. 2013 waren es noch 70.

2014 hat sich die Zahl der dschihadistischen Salafisten, die aus Hamburg in Richtung Syrien oder Irak gereist sind, von 25 auf 50 verdoppelt.

„Ich halte es für eine sehr gefährliche Situation“, warnt Özdemir. „Die Menschen sind gerade vor dieser totalitären Ideologie geflohen und werden jetzt wieder mit ihr konfrontiert.“ Der Islamische Staat habe seine Anhänger dazu aufgerufen, nach Europa zu kommen. Eine Taktik sei es, Flüchtlinge anzuwerben, eine weitere, als vermeintlicher Flüchtling nach Europa zu kommen, sagt Özdemir. Sie habe sich bei einem Besuch in der syrisch-türkischen Grenzstadt Kobane selber einen Eindruck von dieser Taktik verschafft.

Mit dem Koran in der Hand

Der Flüchtlingsaktivist, der die Bürgerschaftsabgeordnete kontaktiert hat, ist selber vor vier Jahren aus den kurdischen Gebieten geflohen. „Ich bin zu den Messehallen gekommen, um Kleidung für die Flüchtlinge zu spenden“, erzählt er. Bei seinem Eintreffen habe er zunächst vier Salafisten vor dem Eingangsportal wahrgenommen, die mit dem Koran in der Hand Flüchtlinge angesprochen hätten.

Als er wieder heraus kam, sei es bereits eine Gruppe von etwa 50 Personen gewesen. Er habe das Sicherheitspersonal darauf angesprochen, doch dieses hätte die Situation zunächst verkannt. Ein Mitarbeiter entgegnete ihm, dass es sich nur um „normale Muslime“ handele, die helfen wollten. Erst als die Salafisten den Sichtschutz herunter gerissen hätten, seien sie eingeschritten.

Der SPD-Abgeordnete Kazim Abaci schließt sich den Befürchtungen Özdemirs an: „Es war zu erwarten, dass die einschlägigen Gruppierungen die Situation der Flüchtlinge missbrauchen und versuchen, ihnen über die Schiene der Religion neue Hoffnungen zu machen.“ Deshalb sei es richtig und wichtig, bei diesen Vorfällen wachsam zu bleiben. Die Polizei habe nach dem Bekanntwerden des Vorfalls erhöhte Präsenz vor den Messehallen gezeigt.

„Salafisten sind wie andere Extremisten bestrebt, für ihre Ziele zu werben und neue Personen für sich zu gewinnen“, sagt Birgit Pülsch, Sprecherin des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz. Bis Mitte August seien 82 Koran-Stände angemeldet worden. Die Salafisten betrieben Infotische, bewegten sich aber auch durch die Stadt und sprächen gezielt Personen an.

Hierzu gehörten auch Flüchtlinge. „Dies ist aber im Zusammenhang mit der gesamten Dawa-Arbeit zu sehen und ist bisher nicht als eine gesteuerte oder zielgerichtete Kampagne zu werten“, sagt die Sprecherin. Dawa bedeutet „Ruf zu Gott“.

*Name von der Redaktion geändert

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6 Kommentare

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  • Ist dem Verfassungsschutz eigentlich klar, was er da tut, wenn er die salafistischen Volksverhetzungen kleinredet?

     

    Aber: Welchen Erfolg versprechen sich der IS und seine Anhänger von ihrer Propaganda bei Leuten, die gerade vor seinesgleichen und/oder einem anderen Diktator, der ihr Land, ihre Kultur und ihre Geschichte zerstört, geflüchtet sind?

     

    Vielleicht schaffen die Flüchtlinge es eher, diesen Leuten aus eigenen Erfahrungen die Augen über die schmutzigen Absichten und das mörderische Treiben des IS zu öffnen.

  • Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Salafisten bei denjenigen Flüchtlingen, die vor dem IS geflohen sind, irgendwie ernsthaft Gehör finden.

    • @Da Hias:

      Ich dachte, die fliehen vor Assads Fassbomben? Zudem sind laut Polizei tausende gefälschte Syrische Pässe im Umlauf. Wer weiss schon, wo die Faker herkommen.

      • @Chutriella:

        Woher wissen Sie, vor wem genau Die Syrer fliehen ?

        • @lions:

          Ich weiss genauso wenig wie mein Vorkommentator, wovor die im Bericht Umworbenen fliehen - nach Da Hias vor dem IS, andere schreiben: vor Assads Armee. Das ist ja das Tolle - es gibt keine belegte Fakten, aber viele Gerüchte und Meinungen. Deshalb hat mich der obige Kommentar gestört. Er suggeriert, so meine Wahrnehmung, dass Flüchtlinge, die vor dem IS fliehen, vor der Propaganda der Salafisten gefeit seien. Das widerspricht zumindest der Auffassung im bericht "Extremistischer Salafismus als Jugendkultur" des MIK NRW. Und hat mit der Sachlage nichts zutun.

  • Hamed Abdel-Samad hat mehrmals seine Stimme erhoben und das salafistische Gedankengut als verfassungsfeindlich gebrandmarkt.

    Politisch ist dieser Ruf bis heute nicht anerkannt worden.