Flüchtlinge in Europa: Tausende suchen Schutz in Ungarn

So viele kamen noch nie: Über 2.000 Flüchtlinge sind an nur einem Tag nach Ungarn eingereist. Auch Österreich ist beunruhigt.

Abschottung, wie sie im Buche steht: Ein Soldat errichtet einen Stacheldrahtzaun an der ungarisch-serbischen Grenze. Foto: dpa

RÖSZKE afp | Wenige Tage vor der Fertigstellung eines Grenzzauns zur Abschreckung von Flüchtlingen kämpft das EU-Land Ungarn mit einem beispiellosen Andrang von Asylsuchenden. Wie die ungarische Polizei am Dienstag mitteilte, reisten am Montag fast 2.100 Flüchtlinge über Serbien nach Ungarn ein – so viele wie noch nie an einem einzigen Tag. Die britische Regierung kündigte unterdessen harte Strafen für illegale Einwanderer an.

In der Nähe des südungarischen Dorfs Röszke sei am Montag 2.093 Flüchtlingen der Grenzübertritt gelungen, erklärte die Polizei. Die Flüchtlinge gehörten zu tausenden Menschen, deren Flucht in die EU in der vergangenen Woche blockiert worden war, weil Mazedonien den Ausnahmezustand ausgerufen und seine Grenze zu Griechenland dichtgemacht hatte. In den Tagen danach öffnete Mazedonien sie allmählich wieder.

Ein Iraker aus Mossul sagte, er sei zwei Tage lang in Mazedonien festgehalten worden, bevor er über Serbien nach Ungarn weiterreiste. „Die Ausschreitungen waren furchtbar, die Polizei setzte Waffen und Tränengas ein“, sagte der 29-Jährige, der vor der Miliz „Islamischer Staat“ (IS) floh. „Ich habe gesehen, wie eine alte Frau geschlagen wurde, man hat ihr Geld und Papiere abgenommen.“

Ungarn registrierte in diesem Jahr bereits mehr als 100.000 Asylsuchende – mehr als doppelt so viele wie 2014. Viele Flüchtlinge kommen aus dem Bürgerkriegsland Syrien und aus anderen Konfliktgebieten. 2012 kamen gerade einmal 2.000 Flüchtlinge in Ungarn an.

Bulgarien schickt Soldaten

Derzeit ist der Ansturm auf das EU-Land besonders hoch, weil Ungarn einen vier Meter hohen Zaun entlang der Grenze zu dem Nicht-EU-Land Serbien baut. Am Montag gelang den Flüchtlingen der Übertritt in einem noch nicht abgeriegelten Bereich. Der umstrittene Zaun soll bis zum kommenden Montag fertiggestellt werden.

Bulgarien zeigte sich angesichts der Krise beunruhigt und stationierte Soldaten und Panzerfahrzeuge an seiner Grenze zu Mazedonien. Insgesamt 25 Militärangehörige und mehrere „leichte gepanzerte Fahrzeuge“ sollten an vier Grenzübergängen den Grenzschutz unterstützen, teilte das Verteidigungsministerium mit und sprach von einer „vorsorglichen Maßnahme“. Sollten viele Flüchtlinge den Weg über die Grenze suchen, könne das Aufgebot verstärkt werden.

Das Thema dürfte auch die Westbalkan-Konferenz beschäftigen, die am Donnerstag in Wien stattfindet und an der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) teilnimmt.

Abschottung ist nicht die Lösung

Auch das Verteidigungsministerium in Österreich kündigte an, dass mehr als 500 Soldaten die Behörden bei der Bewältigung des Flüchtlingsandrangs aus den Nachbarländern Ungarn und Italien unterstützen sollen; sie sollen beim Transport und beim Bau von Unterkünften helfen. Der Regierung zufolge sollen sie aber zunächst nicht an den Grenzen stationiert werden.

EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans forderte am Dienstag im ARD-„Mittagsmagazin“ europäische Solidarität, um die Probleme zu lösen. „Das kann kein Land alleine machen.“ Mit Blick auf Ungarn sagte Timmermans, Abschottung könne nicht die Lösung sein: „Einen Zaun zu errichten, das hilft auch nichts.“

Mit dem größten Flüchtlingsandrang seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs sieht sich auch Großbritannien konfrontiert, das nun mit harten Strafen gegen Illegale und deren Anstellung durch heimische Unternehmer vorgehen will.

In einem Gesetzentwurf seien bis zu sechs Monate Gefängnis für illegal arbeitende Einwanderer vorgesehen, erklärte das britische Einwanderungsministerium. Minister James Brokenshire drohte: „Wenn Sie hier illegal sind, werden wir Maßnahmen ergreifen, um sie am Arbeiten, am Mieten einer Wohnung, Eröffnen eines Bankkontos oder Autofahren zu hindern.“

Auch die Löhne von illegalen Einwanderern sollen beschlagnahmt werden können. Pubs und Lieferdiensten drohen dem Gesetzentwurf zufolge Geldstrafen, der Entzug ihrer Lizenz oder die Schließung ihres Geschäfts, wenn sie Illegale beschäftigen. Wenn sie weiterhin gegen die Vorgaben verstoßen, sollen sie auch strafrechtlich verfolgt werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.