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Festnahmen und Abrissbirne

Westjordanland Bei den schwersten Zusammenstößen seit Jahren werden im Lager Dschenin sechs Menschen verletzt, als Israel einen Hamas-Aktivisten festnehmen will

Nur noch einen Schuttberg haben Israels Bulldozer übrig gelassen Foto: Mohamad Torkoman/ reuters

Aus Jerusalem Susanne Knaul

Bei den schwersten Unruhen seit mehreren Jahren wurden in der Nacht zum Dienstag sechs Menschen im Flüchtlingslager von Dschenin verletzt. Israels Armee, Geheimdienst und Grenzpolizei waren mit mehreren Dutzend Militärfahrzeugen und Bulldozern in das Flüchtlingslager eingedrungen. Sie umstellten das Haus des Hamas-Aktivisten Madschdi Abu Hidscha, forderten ihn auf, sich zu stellen, und rissen schließlich das Haus ein. Hunderte Palästinenser sollen daraufhin die israelischen Sicherheitskräfte mit Steinen und Molotowcocktails angegriffen haben. Einer der Grenzpolizisten trug eine leichte Schussverletzung davon, die ihm möglicherweise versehentlich von einem seiner Kameraden zugefügt wurde.

Abu Hidscha, sein Bruder und vorübergehend auch sein 15 Jahre alter Sohn und die Mutter wurden festgenommen. Zu weiteren Festnahmen kam es in der Nähe von Bethlehem, Hebron und Nablus. Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa berichtete über insgesamt zwölf Festnahmen. Ein Aktivist des Islamischen Dschihad konnte in Dschenin entkommen.

Das Flüchtlingslager von Dschenin gilt als eine der Hochburgen radikaler Palästinenserorganisationen. Nicht nur Hamas und Islamischer Dschihad genießen unter der Bevölkerung großes Ansehen, sondern auch die Fatah-nahen Al-Aksa-Brigaden. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hält sich strikt an die Sicherheitskooperation zwischen der palästinensischen Polizei im Westjordanland und den israelischen Besatzungstruppen. Allerdings kündigte Abbas, der gleichzeitig als PLO-Chef fungiert, jüngst seinen Wunsch nach Rücktritt von allen Ämtern an. Die Versammlung des PLO-Nationalrats, der einen Nachfolger für den scheidenden Vorsitzenden wählen soll, ist für Mitte September in Ramallah geplant. Ohne einen starken Erben für Abbas als PLO-Chef wie auch als Palästinenserpräsident steigt die Gefahr, dass der Unmut gegen Israel erneut gewaltvolle Formen annimmt.

Dschenin gilt alseine der Hochburgen radikaler Palästinenserorganisationen

Möglich ist, dass die Razzien der israelischen Sicher­heits­truppen präventiv und auch aus Sorge vor Vergeltungsaktionen für die jüngsten Terroranschläge vorgenommen werden, die auf das Konto jüdischer Extremisten gehen. Vor genau einem Monat starb ein palästinensisches Baby bei einem Brand­anschlag auf ein Familienhaus. Der Vater des Kindes erlag wenige Tage später seinen Verbrennungen.

Zum Stand der Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas über einen dauerhaften Waffenstillstand gibt es unterschiedliche Stimmen. Die Ostjerusalemer Tageszeitung Al-Quds berichtete unter Bezug auf nicht namentlich genannte „Hamas-Funktionäre“, dass die Initiative einer langfristigen Feuerpause „zum Scheitern verurteilt“ sei. Der Hamas-Experte Shaul Mish´al, Chef des Nahost-Studienprogramms am Interdisziplinären Zentrum in Herzlija, glaubt hingegen, dass „die jüngsten Entwicklungen neue Möglichkeiten schaffen“.

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