: Dresden kann auch schöne Demos
Solidarität Tausende protestieren am Samstag gegen rechtsextreme Übergriffe auf Flüchtlinge. Verfassungsgericht hebt Demoverbot in Heidenau auf. Engagierter CDU-Bürgermeister wird bedroht
aus Dresden Malte Göbel
Tausende Menschen haben am Samstag in Dresden und Heidenau ihre Solidarität mit Flüchtlingen demonstriert. Nach Wegfall des Versammlungsverbots fanden sich am Abend in der von rechten Protesten und Krawallen erschütterten Kleinstadt rund 400 linke Unterstützer_innen zu einer spontanen Kundgebung zusammen. Mit zahlreichen Flüchtlingen tanzten und feierten sie auf der Straße vor deren Unterkunft. Die Polizei war mit vielen Kräften im Einsatz. Gegner_innen der Unterkunft oder rechte Demonstrant_innen waren in der Umgebung nicht zu sehen. Zwischenfälle gab es keine. „Der Abend geht friedlich zu Ende“, sagte ein Sprecher der Polizei.
Zuvor hatten in Dresden 5.000 bis 8.000 Menschen bei strahlendem Sonnenschein gegen Rassismus und Fremdenhass demonstriert. Aufgerufen hatte das Bündnis „Dresden Nazifrei“. Dem Motto „Heute die Pogrome von morgen verhindern! Schutz für Geflüchtete statt Verständnis für Rassist_innen!“ folgten vor allem junge Menschen aus Dresden, aber auch aus dem ganzen Bundesgebiet und Tschechien. Allein aus Berlin waren mehrere hundert in Bussen, per Bahn und in Privatautos gekommen.
Auf der Route vom Hauptbahnhof zum Bahnhof Neustadt kam es nur zu kleinen Zwischenfällen. Anfangs hielt ein Mann ein Schild mit der Aufschrift „Die Antifa ist die Terrormiliz des Staates“ hoch, später versuchte ein weiterer mit einem „Wir sind das Volk“-T-Shirt den Zug aufzuhalten. Die Polizei hielt sich im Hintergrund.
Auslöser für die Demonstration waren die schweren Krawalle von Rechtsextremen vor einer geplanten Flüchtlingsunterkunft in Heidenau nahe Dresden. Dabei waren mehr als 30 Polizisten verletzt worden. Ein Redner auf der Dresdener Demo warf der sächsischen Polizei und dem Innenministerium ein „Generalversagen mit System“ vor. Diese hatten für das Wochenende alle Demonstrationen in Heidenau untersagen wollen.
Weitere Redner_innen erinnerten an die Pogrome von Rostock-Lichtenhagen vor 23 Jahren und an die Mordserie des NSU, die vor genau 14 Jahren begann. Auf einem Spruchband stand: „Wer von der CDU nicht reden will, soll vom Nazipack schweigen“. Es ging nicht nur um die „sächsische Kackscheiße“, wie auf einigen Aufklebern stand, sondern gegen die „rassistische Gesamtscheiße“ – unter diesem Motto hatten Berliner Antifas zur Demo mobilisiert.
Erst am Samstagmorgen hatte das Bundesverfassungsgericht das umstrittene Versammlungsverbot für Heidenau außer Kraft gesetzt (siehe links). Zuvor hatte das Oberverwaltungsgericht Bautzen nur ein von „Dresden Nazifrei“ organisiertes Willkommensfest für Flüchtlinge erlaubt. Alle anderen Veranstaltungen blieben untersagt.
Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) rief alle Seiten zu Besonnenheit und Friedfertigkeit auf, „damit die Versammlungsfreiheit ihren Platz behält“. Die Polizei stehe vor einer schweren Aufgabe. „Das ist mit Blick auf die Situation auch überall in Deutschland eine Herausforderung für die Polizei.“
Schon vor der Abschlusskundgebung mit einem Konzert in Dresden kündigten Teilnehmer_innen in sozialen Netzwerken an, noch nach Heidenau zu fahren, um dort ihre Solidarität mit den Flüchtlingen zu demonstrieren.
Dort wird derweil der Bürgermeister Jürgen Opitz wegen seines Engagements für die Flüchtlinge bedroht. Seine Frau habe im Briefkasten einen Zettel mit einer „konkreten Gewaltandrohung“ gefunden, sagte der CDU-Politiker.
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