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Die Mehrheit passte sich an

BUCHVORSTELLUNG Mit der Studie „Künstler im Nationalsozialismus“, herausgegeben von Wolfgang Ruppert, untersucht die Hochschule der Künste ihre Vergangenheit in der Zeit des Nationalsozialismus, 1933 bis 1945

von Christina Steenken

Professoren werden entlassen, jüdische Studierende zwangsexmatrikuliert, eine systematische Stigmatisierung oppositioneller Kunst und Kultur beginnt. Bald schon gilt: Figürliche Kunst ist gut, abstrakt ist schlecht.

Von all dem war am Wochenende, zum Rundgang am Semesterende, an genau jenem Ort zu hören, an dem dies ab März 1933 geschehen war: in der Hardenbergstraße 33 in Berlin-Charlottenburg, Sitz der Hochschule der Künste. Künstler wie Karl Hofer, Lotte Laserstein, oder Arno Breker haben zu dieser Zeit ihren Arbeits- oder Studienplatz an der Berliner Kunsthochschule.

Doch nehmen ihre Lebenswege aufgrund der Machtergreifung der Nationalsozialisten von da an unterschiedliche Bahnen, wie Wolfgang Ruppert in seinem Vortrag „Zwischen Karriere, Kunstbetrieb und Ausgrenzung. Bildende Künstler im Nationalsozialismus“ berichtet. Anlässlich der Veröffentlichung seines Buches „Künstler im Nationalsozialismus“ veranstaltete die Universität der Künste (UdK) eine Reihe an Sonderveranstaltungen zum Thema.

Trotz vieler Änderungen, herrschte im Kunstbetrieb und an der Kunsthochschule ab 1933 ein erhebliches Maß an Kontinuität. Eine Kontinuität, die durch die große Mehrheit der Künstlerinnen und Künstler garantiert wurde, weil sie sich im Nationalsozialismus genauso verhielten wie andere Deutsche auch: Manche waren überzeugte Nazis, die Mehrheit passte sich an, um sich auf dem Kunstmarkt etablieren zu können, ein geringer Teil hielt sich in Distanz, wenige kämpften im Widerstand, so erklärt Ruppert.

Dies stehe im Widerspruch zur weit verbreiteten Annahme, wonach Künstler „die besseren Menschen“ seien, moralisch überlegen. Eine Idealisierung, die bereits Ende des 18. Jahrhunderts einsetzte und den Künstler als eine mythische Figur auflud. In dem Buch beleuchten Wolfgang Ruppert und seine Kollegen dazu verschiedene Künstlerbiografien im Kontext der damals gegenwärtigen Strukturen und institutionellen Zusammenhänge.

Als extreme Beispiele dienen dabei die Lebenswege von Felix Nussbaum und Arno Breker. Während sie im Winter 1932/33 noch gemeinsam als Stipendiaten in der Villa Massimo in Rom arbeiten, verlaufen ihre Biografien in den Folgen der politischen Machtverschiebungen völlig unterschiedlich. Felix Nussbaum wird ausgegrenzt und als jüdischer Künstler 1944 in Auschwitz von den Nazis ermordet, Arno Breker steht als Hitlers Hofkünstler dagegen die Welt offen.

Heroische Skulpturen

Ruppert gibt ­Einblicke in die Zeit der bildenden Kunst während des NS und zeigt, wie sich die NS-Kulturpolitik auf die Arbeit der ­Künstler auswirkte

Mit seinem „Zehnkämpfer“ zieht er die Aufmerksamkeit Hitlers auf sich und wird zum „Michelangelo des Dritten Reichs“. Seine heroischen, den „arischen“ Herrenmenschen feiernden Skulpturen werden zum Sinnbild des „neuen Körpergefühls“ der NS-Propaganda, wie Josephine Gabler im Buch darlegt. 1938 wird Breker als Hochschullehrer an die Vereinigten Staatsschulen – Vorläuferinstitution der UdK – berufen, um Nachwuchskünstler im Sinne der kulturpolitischen Ziele der Nationalsozialisten auszubilden. Welche Kunst die Nationalsozialisten als entartet brandmarkten und welche sie förderten, sollte wie eine Grenzlinie zwischen den Künstlern und ihren ästhetischen Sprachen deutlich werden, erklärt Ruppert: Die figürlich, akademisch geprägte Kunst als zum deutschen Kunstbetrieb zugehörig, die moderne Kunst (darunter Strömungen wie der Expressionismus oder Dadaismus) als von der Öffentlichkeit ausgegrenzt.

Nordisch expressionistisch

Dennoch habe es neben dem traditionalistischen auch einen modernistischen Flügel von Künstlern gegeben, der den „nordischen Expressionismus“ zur offiziellen Kunst machen wollte. Einen prominenten Unterstützter hatte die Gruppe: Joseph Goebbels. Als wichtigstes Sprachrohr diente ihnen ihre Zeitschrift Kunst der Nation, in der sie für nationale Expressionisten wie etwa Emil Nolde eintraten, ehe diese 1935 verboten wurden. Hitler hatte sich in seiner Reichsparteitagsrede 1934 schlussendlich gegen die moderne Kunst gestellt. Mit seinem Buch gibt Ruppert detaillierte Einblicke in die Zeit der bildenden Kunst während des Nationalsozialismus und zeigt, wie sich die NS-Kulturpolitik auf die Arbeit der Künstler auswirkte. Biografien, die im Buch analysiert werden, machen die Veränderungen der Handlungsspielräume der Künstler zwischen 1933 und 1945 deutlich. Dadurch, dass das Buch auch die Künstlerausbildung und Geschichte der Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst in Berlin beleuchtet, schließt es eine Forschungslücke, die trotz guter Aktenlage zuvor kaum Beachtung fand.

Wolfgang Ruppert (Hg.): „Künstler im Nationalsozialismus. Die ‚Deutsche Kunst’, die Kunstpolitik und die Berliner Kunsthochschule“. Böhlau Verlag, 372 Seiten, 44,90 Euro

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