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Es geht um jede Menge Kohle

Energie Griechenlands Stromkonzern ist marode und setzt auf Braunkohle. Jetzt soll er privatisiert werden. Ist das eine Chance für die Energiewende?

BERLIN taz | Vor drei Jahren war die Welt zwischen Griechenland und Deutschland noch in Ordnung. Die Initiatoren des Projekts Helios schmiedeten große Pläne: Sie wollten den größten Solarpark Europas errichten und die Sonne des Südens in deutsche Steckdosen senden. Griechische und deutsche Staatssekretäre und Diplomaten klopften sich auf die Schulter – Helios war Energiewende und Wirtschaftsförderung in einem. Das Projekt wurde jedoch nie umgesetzt.

Drei Jahre später ist das Vertrauen zwischen beiden Ländern vollends zerrüttet. Dank Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble stünden bei einer solchen Idee schnell Vorwürfe wie Energiekolonialismus oder ähnliche Nettigkeiten im Raum.

Griechenland soll nun Staatsbesitz verkaufen, darunter auch im Energiesektor. Das staatliche Monopol des Energieriesen PPC (Public Power Corporation) soll gebrochen, die Netze entkoppelt und der Markt geöffnet werden. Nach eigenen Angaben kontrolliert PPC rund 98 Prozent des griechischen Strommarkts. Das Unternehmen hat das Monopol auf Kohle- und Wasserkraft, ein Subunternehmen betreibt die Übertragungsnetze.

Unter Griechenlandexperten gilt der Energiesektor als korrupt und marode, als „Moloch“. Eine Erneuerung ist überfällig, moniert die Internationale Energieagentur seit Jahren. Könnte die nun avisierte Privatisierung die griechische Energieversorgung modernisieren und aus dem Braunkohleland einen Vorreiter der Energiewende machen?

Das wäre wünschenswert, ist aber unwahrscheinlich, sagt Energieexperte Dimitris Ibrahim, der bei Greenpeace Athen arbeitet. „Wenn die Privatisierung schlecht geplant wird, dann haben wir hier bald lauter europäische Kohlekonzerne im Land, die PPC kaufen wollen“, meint der Umweltaktivist. Eine Öffnung des Energiemarkts sei eine Chance, aber man müsse sie richtig angehen, um nicht bestehende Strukturen nur noch zu stärken.

„Es geht nicht einfach darum, zu privatisieren, sondern richtig zu privatisieren“, meint Alexander Kritikos vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). „Wir dürfen nicht die gleichen Fehler machen wie in Deutschland 1989/90 – damals wollte man auch in erster Linie die Erlöse aus den Unternehmensverkäufen maximieren, was die Verkäufe immer wieder unnötig verzögert hat“, sagt der Ökonom. Das „Wie“ entscheidet nach Kritikos, ob auch die Energiewende bei einer Privatisierung zum Zuge kommt.

Die Modernisierung der Netze und des zentralistisch organisierten Energiesystems sind laut allen Energiewende-Befürwortern eben die Voraussetzung für die griechische Energiewende. Werden beispielsweise die Inseln nicht per Verteilernetzen ans Festland angeschlossen, können die reichen Wind- und Solarkapazitäten in Athen nicht genutzt werden. Und wenn die Netze nicht vom staatlichen Konzern entkoppelt werden, dann sind kleinere Anbieter oder Energiegenossenschaften weiter vom Gutdünken des Monopolisten abhängig.

Kohle ist mit 70 Prozent der dominierende Energieträger in Griechenland – trotz hoher Wind- und Solarpotenziale. Die kommen zusammen auf nur rund 13 Prozent des Stroms, der Solarzubau ist seit Anfang des Jahres stark zurückgegangen. Sollte der Energiesektor „richtig“ privatisiert und das Netzmonopol aufgebrochen werden, könnten auch noch mehr deutsche Unternehmen der Erneuerbaren-Branche ihr Interesse an Griechenland entdecken. Davon ist man aber derzeit noch weit entfernt. Selbst Windbauer wie Enercon, die bereits in Griechenland aktiv sind, wollen sich nicht zur aktuellen Situation äußern.

„Die Erneuerbare-Energie-­Branche ist bei griechischen Investitionen derzeit eher zurückhaltend“, erklärt Rainer Hinrichs-Rahlwes, Europabeauftragter des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE). Noch wisse niemand, wie die Privatisierung und der Energiemarkt zukünftig aussehen werden. „Es kann auch sein, dass sich RWE in den Energieriesen PPC einkauft – dann haben unabhängige und mittelständische Akteure gar nichts davon, und es wird sehr schwierig mit der Energiewende in Griechenland“.

An Ende könnte weiter Braunkohle dominieren und die Erneuerbaren würden leer ausgehen, meint Hinrichs-Rahlwes. Reformen seien notwendig, damit die grüne Wende nicht von den Gewerkschaften bekämpft werde. Die sind bei PPC – ähnlich wie bei Vattenfall oder RWE in Deutschland – stark; sie vertreten die Kumpel in den Tagebauen. Susanne Götze

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