AfD-Gezänk: Lustvolle Selbstzerfleischung

Beim Machtkampf der AfD will Vize Dirk Nockemann Fraktionschef Jörn Kruse ausbooten. Die Entscheidung könnte am Wochenende fallen.

Feinde - nein, schlimmer noch: AfD-Parteifreunde Dirk Nockemann (l.) und Jörn Kruse Foto: dpa

HAMBURG taz | Es klang wie das Bekenntnis zu einem Fußballtrainer, dessen Abgang längst beschlossene Sache ist. Am späten Montagabend überkam die AfD-Fraktion der Bürgerschaft das starke Bedürfnis, der Welt mitzuteilen, sie stehe „einmütig zu ihrem Fraktionsvorsitzenden Jörn Kruse“. Und in der dritten Person über sich selbst lamentierend ergänzte das Gremium: „Die AfD- Fraktion lässt sich nicht spalten.“

Das ist richtig. Die Hamburger AfD lässt sich nicht spalten – sie spaltet sich selbst. Längst ist der Grabenkampf zwischen Jörg Kruse und seinem Stellvertreter, dem Ex-Schillianer Dirk Nockemann, außer Kontrolle. Und längst greift Nockemann nach der Macht, unterminiert dabei Kruses Autorität nach Kräften.

Vorigen Mittwoch war es in der Bürgerschaft zum Eklat gekommen. Kruse hatte den anderen Parteien mitgeteilt, die AfD werde der Vertagung der Wahl eines AfD-Mitgliedes in die Härtefallkommission zustimmen, wie die Fraktion es zwei Tage zuvor intern beschlossen hatte. Doch ohne Kruses Wissen nahm sich Nockemann seine Kollegen zur Brust und überzeugte sie, für die sofortige Abstimmung zu votieren. Kruse räumte öffentlich ein, dass seine Fraktion ihre Meinung ohne sein Wissen geändert hatte und mutierte zur Lachnummer.

Doch Kruse keilte zurück: Die spätere Rede Nockemann zum Thema „Homo-Ampeln“ vor der Bürgerschaft bewertete Kruse als „einfach nur peinlich.“ Er habe sich „für Herrn Nockemann und die gesamte AfD-Fraktion geschämt“, setzte der Fraktionsschef hinzu, und enthielt sich demonstrativ bei dem auch von ihm zuvor unterzeichneten Af D- Antrag, den Nockemann gerade vorgestellt hatte.

Das wiederum brachte Nockemann auf Zinne. „Herr Kruse muss wissen, was er tut, aber er muss aufpassen, dass er die Arbeit der Fraktion nicht konterkariert“, watschte der Fraktions-Vize den Fraktionschef ab. Längst nehmen beide Politiker keine Rücksicht mehr auf die Außenwahrnehmung der Partei, wenn sie sich öffentlich runterputzen.

Kruse oder Nockemann – eine Machtfrage, die nicht allein in Hamburg beantwortet wird. Nachdem am kommenden Wochende auf dem Bundesparteitag in Essen der Kampf um die AfD-Spitze zwischen Bernd Lucke und Frauke Petry – und damit der zukünftige Kurs der Partei entschieden wird – dürfte auch Hamburgs AfD sich neu sortieren: Siegt Lucke, ist Kruse gestärkt, macht Petry das Rennen, dürfte Nockemanns Siegeszug und Kruses Abtritt als Fraktionschef kaum aufzuhalten sein.

Schon im Wahlkampf hatte Petry Kruses liberale Tonlage und seine Themenauswahl kritisiert, d ie das konservative Wählerspektrum nicht erreicht hätte, das man mit zuwanderungs- und islamkritischen Parolen begeistern könne. Unter Petry, so heißt es in der Fraktion, würde Kruse eher morgen als übermorgen das Handtuch werfen.

Das hat Carola Groppe, Kruses Lebensgefährtin, bereits getan. Sie kehrte vor Kurzem der Partei den Rücken, da „eine organisierte Übernahme der Partei durch das rechte Lager im Gange“ sei – und das offensichtlich nicht nur im Bund. Die AfD, urteilt die an der Helmut-Schmidt-Universität tätige Historikerin, biete „das Bild einer hoffnungslos nach rechts treibenden Partei der ewig Gestrigen“ und habe nur „unklare Abgrenzungen zu Mitgliedern der NPD“.

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