: Grünes Auf-Begehren
Parlament Die Grünen attackieren in der Debatte über Mieten-Volksbegehren die SPD wegen ihrer Wohnungspolitik. Senator Geisel ist das Begehren zu teuer und langwierig
von Stefan Alberti
Fundamental versagt. Komplett verpennt. Armutszeugnis. Wer die Grüne Katrin Schmidberger an diesem Donnerstagmorgen im Abgeordnetenhaus hört, der mag nicht wirklich glauben, dass in nicht viel mehr als einem Jahr nach der Abgeordnetenhauswahl Rote und Grüne zusammen regieren könnten. Zu brachial sind ihre Attacken auf den Senat und vor allem die SPD, als es in der zentralen Debatte des Tages um das Mieten-Volksbegehren und die Wohnungspolitik geht. Und dass sich die rot-schwarze Koalition und die Opposition auf einen von allen Fraktionen getragenen alternativen Gesetzentwurf zu dem Begehren einigen könnten, scheint zumindest in diesem Moment ebenfalls ausgeschlossen.
Es bleibt Iris Spranger überlassen, der kaum einssechzig großen, aber sehr wortstarken SPD-Abgeordneten, für ihre Fraktion ein paar Sachen zurechtzurücken. Denn Schmidberger hat gleich mehrere Beschlüsse der Koalition mit SPD-Bausenator Andreas Geisel und seinem Vorgänger Michael Müller unterschlagen: das Umwandlungsverbot, die reduzierten Möglichkeiten, Kosten auf die Mieter abwälzen, der Wohnungsbaufonds, das Mietenbündnis und auch die von der CDU lange abgelehnten Maßnahmen gegen Ferienwohnungen. Und genauso kann Spranger darauf verweisen, dass Berlin den Anstoß für die bundesweite Mietpreisbremse gab. „Das ist alles nur Show“, hält sie der Grünen vor.
Als Schmidberger nachlegt und präzisiert, was ihr fehlt, wirkt das ein paar Konfektionsgrößen kleiner: Das Versagen sieht sie darin, nichts gegen Zwangsräumungen zu tun oder den Bezirken kein Vorkaufsrecht einzuräumen. In Neukölln blockiere die SPD zudem einen Milieuschutz.
Nach diesem Schlagabtausch zwischen SPD und Grünen sei ja wohl die Hoffnung auf eine gemeinsame Lösung gering, stellt Katrin Lompscher fest, als sie für die Linksfraktion ans Rednerpult tritt. Ja, bestätigt die Exsenatorin, Senat und Koalition hätten Gegenmaßnahmen ergriffen, „bloß zu spät und zögerlich“.
Diese Worte wirken schon um einiges nüchterner als Schmidberger und wie eine Bestätigung für jene, die die SPD vor der Rückkehr zu Rot-Rot sehen, wenn das 2016 nach der Wahl machbar sein sollte.
Aber die Grünen haben an diesem Vormittag in der Mietdebatte noch ein zweites Gesicht. Das gehört Andreas Otto, Miet- und Wohnexperte wie seine Kollegin Schmidberger, mit der er sich die Redezeit seiner Fraktion teilt, sichtlich in „Good cop/Bad cop“-Manier. Otto gibt den netten Bullen, lobt sogar Senator Geisel und hält es doch nicht für ausgeschlossen, dass man in Sachen bezahlbarer Wohnungen noch zusammen kommt – „wir stehen bereit.“
An dem Volksbegehren selbst hat durchaus auch seine Fraktion das eine oder andere zu bemängeln, genauso wie Linke und Piraten. „Es ist auch unbestritten, dass damit nicht alle Probleme gelöst werden können“, sagt Lompscher, „aber es ist ein Anfang.“ Und SPD und CDU auf der anderen Seite verschließen sich ja nicht dem Grundgedanken, für mehr bezahlbare Wohnungen zu sorgen. Wobei für die CDU anders als andere auch 6,50 Euro pro Quadratmeter noch als bezahlbar gelten.
Iris Spranger, SPD
Vor allem zwei Punkte im Gesetzentwurf der Initiative aber mag die Koalition aber nicht hinnehmen. Da ist zum einen die Forderung, die landeseigenen Wohnungsunternehmen in eine andere Rechtsform zu bringen, was den Mieterschutz stärken soll. Das geht für Sozialdemokratin Spranger gar nicht: So ein Umbau würde dazu führen, dass die Landesunternehmen nur mit sich selbst beschäftigt sind, statt den gerade wieder belebten Neubau fortzuführen.
Zum Zweiten sind es die Kosten, die Spranger abschrecken. Über fünf Jahren gerechnet, würde es nach Schätzung des Senats 3,3 Milliarden kosten, das Volksbegehren umzusetzen, nur 1,1 Milliarden sind es nach Zahlen der Initiative. Mit der Grundidee, Mieten zu subventionieren, kann Spranger ja durchaus leben. Doch das Volksbegehren hilft aus ihrer Sicht wenigen Mietern, nämlich nur 4 Prozent. „Ein großer Teil des Gelds ginge direkt in die Taschen der Vermieter“, sagt sie.
Das sieht auch Senator Geisel so. Viel zu langwierig ist ihm die Sache zudem. Kurzfristig soll sich etwas ändern, zwei- oder dreimal so viele Sozialwohnungen wie geplant will er bauen. Sosehr er auch die 40.000 gültigen Unterschriften für das Begehren respektiere: „Ich kann beim besten Willen nicht erkennen, warum das Volksbegehren unsere Wohnungspolitik abstrafen sollte.“
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