Naser Oric in Sarajewo gefasst: Verteidiger Srebrenicas verhaftet

Die Staatsanwaltschaft wirft Naser Oric Geldwucher und Schutzgelderpressung vor. Bislang galt er als unantastbar.

Dieses Mal geht es nicht um Kriegsverbrechen: Der Fall Naser Oric. Bild: dpa

SARAJEVO taz Die Falle war offensichtlich bereits gestellt. Genau zu dem Zeitpunkt, als die Besitzerin des Restaurants Brajloviac in Sarajevo am Freitagabend dem ehemaligen Kommandeur der bosnischen Armee in der UN-Schutzzone Srebrenica, Naser Oric, Geld übergeben wollte, stürmte die Polizei in das Lokal. Sie verhaftete nicht nur den vom UN-Tribunal in Den Haag in Bezug auf Kriegsverbrechen freigesprochenen Oric, sondern auch dessen Frau Sahida und einen engen Freund der beiden.

Dem 41-jährigen Naser Oric wird von der Staatsanwaltschaft Wucher und Schutzgelderpressung vorgeworfen. Zusammen mit seiner Frau soll er Geld zu Wucherzinsen verliehen haben und nicht zimperlich gewesen sein, das Geld dann wieder einzutreiben.

Oric war bisher vor allem im ostbosnischen Kanton Tuzla tätig gewesen und betrieb seit Kriegsende ein Fitnessstudio. In dem Dorf Pasci besitzt die Familie Oric eine große Villa, weitere Immobilien und fünf Luxusautos, die jetzt konfisziert sind. Wie ein mittelloser Armeeoffizier einen solchen Reichtum aufhäufen konnte, bot schon lange vorher Anlass zu Spekulationen.

Wegen seiner Stellung als Verteidiger der Enklave Srebrenica während des Krieges galt Oric jedoch bei vielen Politikern der muslimischen Volksgruppe in Bosnien, den Bosniaken, fast als unantastbar. Weil ausgerechnet die serbischen Verantwortlichen für das Massaker an über 8.000 Muslimen 1995 in Srebrenica Oric der Kriegsverbrechen beschuldigten, war auch die breite bosniakische Öffentlichkeit geneigt, ihn in Bezug auf Srebrenica zu verteidigen und über seine kriminellen Aktivitäten den Mantel des Schweigens zu breiten, obwohl ihn einige Mitstreiter schon kurz nach dem Krieg beschuldigten, sich während der Belagerung Srebrenicas bereichert zu haben. Das Schweigen ist nun gebrochen.

Die Ermittler gehen davon aus, dass seine Frau Sahida die "Geschäfte" weiterführte, als ihr Mann sich seit dem 11. April 2003 vor dem UN-Tribunal verantworten musste und bis zu seiner Verurteilung im Juni 2006 zu zwei Jahren Haft im Gefängnis des Tribunals saß. Am 3. Juli 2008 wurde er in einem Berufungsverfahren von dem Vorwurf freigesprochen, verantwortlich für die Folterung serbischer Gefangener gewesen zu sein.

Mit Slobodan Milosevic hat Oric in Den Haag seinen alten Chef wieder getroffen. Denn vor dem Krieg war er Leibwächter für den ehemaligen serbischen Präsidenten und Mitglied einer serbischen Spezialeinheit im Kosovo. 1991 als Polizist nach Srebrenica zurückgekehrt, entschloss er sich, seine Heimatstadt vor serbischen Angriffen zu verteidigen. ERICH RATHFELDER

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