piwik no script img

Entführung des Supertankers "Sirius Star""Das ist der 11. September der See"

Die Entführung des Supertankers "Sirius Star" hat die afrikanischen und arabischen Staaten aufgeschreckt. Die EU startet eine Antipiratenmission und auch Deutschland verspricht mehr Einsatz.

Schutz vor Piraten: Russisches Kriegsschiff im Hafen von Aden. Bild: dpa

Der ägyptische Militärexperte Muhammad Kadry findet starke Worte um das Treiben der Piraten vor Afrikas Küsten zu beschreiben. "Die Kaperung des saudischen Supertankers Sirius Star ist der 11. September der See," sagt er. Bisher habe man eine solche Aktion für unmöglich gehalten, genauso wie damals, als die Flugzeuge in das World Trade Center stürzten, sagt der Ex-General und Sicherheitsfachmann des Al-Ahram Zentrums für Strategische Studien. "Es herrscht Staunen und Ratlosigkeit."

Das dürfte auch auf die Antipiratenkonferenz der Anrainerstaaten des Roten Meeres übertragbar sein, die am Donnerstag in Kairo stattfand. Die arabischen und afrikanischen Staaten stecken in einem Dilemma. Es muss mehr gegen die Piraten unternommen, fordern sie, andererseits sind sie nervös über die starke Präsenz ausländischer Flotten vor ihrer Küste. Die Kriegsschiffe aus acht Nationen sowie Schiffe der Nato und der 5. US-Flotte kreuzen am Golf von Aden. Russland hat am Donnerstag die Entsendung weiterer Kriegsschiffe angekündigt. Und die EU will in Kürze ihre eigene Antipiratenmission starten.

Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung hat bei einem Treffen mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon eine weitere Beteiligung Deutschlands am internationalen Kampf gegen die Piraten vor Somalias Küste zugesagt. Für den Umgang mit Piraten brauche die internationale Gemeinschaft jedoch einen klaren Operationsplan, betonte Jung am Donnerstag in New York nach dem Treffen vor Journalisten.

Zunächst wolle man aber eine nationale Rechtsgrundlage schaffen. "Ich würde mir wünschen, dass wir auch eine internationale Lösung finden, um dieser Herausforderung wirkungsvoll entgegentreten zu können", sagte Jung weiter. Im Rahmen des europäischen Mandats werde sich die Bundesregierung mit einer Fregatte im Kampf gegen die Piraten beteiligen. Für diese Mission benötige man noch die Zustimmung des Bundestages.

Jemens Vizeaußenminister Ali Al-Ayashi forderte zum Kairoer Treffen eine stärkere arabisch-afrikanische Kooperation, um die Piraterie am Golf von Aden und dem Horn von Afrika zu bekämpfen. "Es muss ein Mechanismus gefunden werden, wie die Anrainerstaaten besser zusammenarbeiten."

Nervös sind vor allem die Ägypter, die einen Rückgang der für das Land lebenswichtigen Einnahmen aus dem Suezkanal verzeichnen. Wenngleich die Suezkanalbehörde zumindest öffentlich nicht zugeben will, dass der Einnahmenschwund auch im Zusammenhang mit der Piraterie steht. Der Chef der Suezkanalbehörde, Ahmad Fadel, schiebt den Rückgang der Einnahmen auf die allgemeine Wirtschaftskrise - wohl um seine Kundschaft nicht zu verschrecken.

Fakt ist, dass sich die Versicherungsgebühren für eine Fahrt durch den Kanal wegen des Piratenproblems im Golf von Aden verzehnfacht haben. Diese Woche erlebten die Ägypter einen weiteren Rückschlag. Die norwegische Reederei Odfjell SE wies ihre 90 Tanker an, fortan die Route um Afrika herum zu benutzen und den Suezkanal zu meiden.

Ein wenig erleichtert dürften die ägyptischen Kanalbetreiber allerdings gewesen sein, dass am Wochenende der Supertanker "Sirius Star" nicht auf dem Weg zum Suezkanal, sondern zum Kap der Guten Hoffnung gekapert wurde - auf dem Weg um Afrika herum. Der Radius der Piraten entspricht inzwischen im Durchmesser der Strecke Paris-Moskau. Damit ist selbst die längere Alternativroute nicht mehr sicher.

Die "Sirius Star" gehört der Tochter einer saudischen Reederei und transportiert mit zwei Millionen Fass Öl ein ganzes Viertel einer saudischen Tagesproduktion. Nun werden die Saudis von den Piraten zur Kasse gebeten. 25 Millionen Dollar sollen sie für die friedliche Rückgabe des Tankers fordern. Immerhin ein Viertel des Wertes der Fracht. "Wir wollen das nicht lange herauszögern, die Saudis haben 10 Tage, um die Forderung zu erfüllen," meldete sich ein Pirat zu Wort. "Ansonsten" warnte er, "werden wir etwas unternehmen, dessen Folgen katastrophal sind." Zahlen die Saudis, dann hätte sich für die Piraten das bisher in diesem Jahr durch Kaperungen eingenomme Lösegeld von schätzungsweise 30 Millionen Dollar fast verdoppelt.

Vielleicht können die Reeder noch über die Summe verhandeln, aber viel anderes als zu zahlen wird ihnen nicht übrig bleiben. Haben die Piraten erst einmal ein Schiff in ihre Gewalt gebracht, ist es praktisch unmöglich es zurückzuerobern, ohne das Leben der Besatzung und im Fall des voll beladenen Supertankers eine Umweltkatastrophe zu riskieren.

"Wir brauchen Lösungen, die nicht in unseren Büchern stehen", sagt der Militärexperte Kadry. In den 90er-Jahren habe man den Terrorismus noch nicht als globale Gefahr wahrgenommen, ähnlich wie heute die Piraterie. Dann habe man enorme Mittel in Homeland-Security und die Sicherung der Luftfahrt gesteckt. "Die Meere, auf denen der Großteil des Fernhandels weltweit abgewickelt wird, hat man dabei schlicht vergessen," analysiert Kadry.

Für die Zukunft zeichnet er ein finsteres Szenario. Die Rechung, sagt er, sei ganz einfach: "Wenn somalische Piraten einen Supertanker so einfach kapern können, wie lange dauert es, bis Al-Qaida gleiches versucht?"

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

9 Kommentare

 / 
  • S
    Shrike

    Niedlich, die entlarvenden Kommentare der Linken.

     

    Diese Piraten quasi als afrikanische Robin-Hoods zu feiern und auch noch anzufeuern ist für die betroffenen Opfer blanker Hohn.

     

    Es gibt da nämlich noch die Besatzungen der Schiffe, die durchaus nicht immer mit dem Leben davonkommen, in den letzten Jahren gab es mindestens dutzende Todesopfer.

     

    Und dass die betroffenen Weltmächte sich das nicht bieten lassen und Kriegsschiffe schicken ist ja wohl klar und sinnvoll.

     

    Ich bin gespannt, wie ihr reagiert, falls euch mal jemand entführt.

    Da erwarte ich dann auch soviel Verständnis für die armen Verzweifelungstäter.

  • S
    Studi

    Wie schön dass sich alle einig sind den Kampf gegen die Piraterie aufzunehmen!

    Natürlich nur im militärischen Sinne. Das ist ja schließlich die beste Lösung. Zumindest für die Industrieländer.

    Warum sollte man auch den langen und unbequemen Weg über die Ursachenbekämpfung gehen, wenn man sich durch eine rein symptomatische Behandlung doch wieder mal so schön vor unangenehmen Eingeständnissen der eigenen Fehler drücken kann.

    Denn das Problem sind selbstverständlich nicht Armut und Ausbeutung sondern schlicht und ergreifend die reine Boshaftigkeit der Menschen. Und der Terrorismus natürlich.

  • F
    Felidea

    "Das ist der 11. September der See"

     

    Was wird denn mit dieser Aussage versucht? Doch nicht etwa ein Vergleich? Wenn ja, dann wird wohl versucht das Leben von 3.000 Menschen mit dem reinem Sachwert eines Öltankers von 100.000,- Millionen gleichzusetzen.

     

    Auf der anderen Seite gibt es dann doch einen Vergleich. Und zwar mit dem Lösungsprogramm. Draufhalten und abschießen. Und für die Überlebenden gibt es immer noch Guantanamo. Ist doch alles herrlich unkompliziert. Schade nur, dass dabei einige lukrative Waffengeschäfte mit Somalia ins Stocken geraten könnten. Aber sicherlich werden auch dafür 'Lösungen' gefunden.

  • I
    Idil

    Dieser "Militärexperte" übertreibt ja total. Der will sich wohl wichtig machen, damit der Rüstungshaushalt nicht gekürzt wird und damit er auch mal im Rampenlicht steht.

     

    In Kairo haben die meisten Leute nicht einmal vernünftige Sanitäranlagen. Und fast keine Solaranlagen oder Solarkocher auf den (oft flachen) Dächern, und das in einem Land, wo so extrem die Sonne scheint und die Leute damit allein fürs Wasserkochen überhaupt keinen Strom, bzw. Gas oder Benzin bräuchten - wie ich neulich gelesen habe, von jemandem, der öfter dort ist. Stattdessen werden immer die neuesten Rüstungsgüter gekauft und übrigens auch die Palästinenser nicht ins Land gelassen, obwohl sie fast dieselbe Sprache sprechen. Nur Israel soll ganz allein immer an allem Schuld sein. Und obwohl mit Solarenergie am Mittelmeer Wasser gewonnen und Wüste bewässert werden könnte und hunderte Quadratkilometer neue Siedlungen inklusive Felder, Oliven- u. Dattelhaine etc. angelegt werden könnten, wächst Kairo v.a. ins Nildelta hinein und die Armut wächst mit (von Zwangsehe, Zwangsschwangerschaften, oder sogar Genitalverstümmelung (die mittlerweile auch von offiziellen Islamgelehrten abgelehnt wird!) rede ich jetzt erst gar nicht).

     

    Um von diesen ganzen ungelösten Problemen abzulenken ist so eine Schiffsentführung natürlich gut geeignet.

  • G
    georg

    Da G.D.Busch ja bald weg ist hat man schnell was neues

  • ...

    Die Auswahl dieses Titels würde ich nochmal überdenken..

     

    Menschenopfer mit Schiffsladung gleichzusetzen ist doch bedenklich.

  • S
    Stalkie

    Mit dem 11. September wurde neben Ressourcenkriegen ein Auf- und Ausbau von Überwachung und staatlicher Kontrolle, einhergehend mit dem Abbau von Anonymität, Freiheit und Privatsphäre gerechtfertigt - in der Telekommunikation, auf dem Boden, in der Luft. Die Seefahrt wurde dabei tatsächlich "vergessen". Die Entführung der Sirius Star spielt den Kontrolleuren und Überwachungshysterikern nun ein weiteres Puzzleteil in die Hände.

  • M
    Matthias

    Warum wird mit den Piraten nicht ein Dialog auf gleicher Augenhöhe geführt?

  • FK
    fridolin kiesewetter

    Fernhandel verteuern bedeutet regionale Strukturen stärken. Und ein bisschen umverteilung zu Gunsten Afrikas schadet auch nicht.

     

    keep rocking pirates !