Kommentar Jamaika im Saarland: Tausche Glaubwürdigkeit gegen Macht

Das Ziel der Grünen ist klar. Ohne die Grünen soll kein Regieren mehr möglich sein. Ein Teil ihrer Wähler werden sie verlieren.

Die Grünen an der Saar wollen also den seit 1999 regierenden Ministerpräsidenten Peter Müller an der Macht halten. Eine Koalition mit CDU samt FDP ist ihnen lieber als eine mit SPD und Linkspartei. Das Saarland ist nun Deutschlands erstes kleines Jamaika-Treibhaus. Offenbar hat Schwarz-Gelb den Grünen dafür nicht einmal mehr geboten als Rot-Rot. Der entscheidende Faktor lautete "Stabilität". Sollte heißen: Wir können mit den Linken nicht reden.

Damit sind die Saar-Grünen, eine zutiefst zerstrittene Truppe hinter Hubert Ulrich, die jahrelang mit straf- und parteirechtlichen Skandälchen befasst war und aktuell mit 5,9 Prozent der Stimmen ganze drei Abgeordnete in den Landtag schickt, für einen historischen Augenblick zum wichtigsten Grünen-Landesverband aufgestiegen.

Die Saar-Grünen liefern die Vorlage dafür, wo ein Gutteil der Grünen-Führungscrew auch hinwill. Ohne die Grünen soll kein Regieren mehr möglich sein. Die Grünen sollen die Partei der Mitte sein, die über den Lagern steht. Sie diktieren in Pendelverhandlungen die Preise. Das ist sehr viel Macht für eine sehr kleine Partei.

Diese Macht ist es, die den Grünen neue WählerInnen zutreiben soll. Die werden sie auch brauchen. Denn die rot-grünen Wechselwähler werden sich verabschieden, wenn sie nicht mehr wissen, welcheN RegierungschefIn man mit den Grünen bekommt.

Seit vier Jahren wird sie beschworen, jetzt erst beginnt die Verschiebung im grünen Gebälk: Wenn es gelingt, von den Konservativ-Liberalen so viele Stimmen zu holen, wie sie in die andere Richtung verloren gehen, haben die Grünen viel gewonnen. Ebenso gut möglich ist jedoch, dass viele Leute finden, dass die Grünen ihr höchstes Gut verzocken: ihre Glaubwürdigkeit.

Wie wollen die Grünen im Bund Oppositionspolitik machen, wenn ein Bündnis mit Merkel und Westerwelle stets am Horizont aufscheint? Die Partei-StrategInnen mögen längst in Zynismus gebadet, von der SPD genervt und von ihrer eigenen Vergangenheit entfremdet sein - ein Großteil der Anhängerschaft ist das nicht. Es ordnen sich wahrscheinlich auch mehr Grünen-Wähler einem politischen Lager zu, als die Parteiführung glaubt.

Verlieren die Grünen all diese Leute, rutschen sie jedoch dahin, wo sie gerade nicht hinwollen: über die Mitte hinaus, direkt in den Schoß von Schwarz-Gelb - und vermutlich in die Bedeutungslosigkeit.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.