Landkreis schafft Energiewende: 100 Prozent Ökostrom

Der Kreis Lüchow-Dannenberg im Wendland produziert so viel erneuerbare Energie wie er auch verbraucht. Dabei war dieses Ziel erst für das Jahr 2015 anvisiert.

Machen vor, wie es gehen kann: Atomkraftgegner aus Lüchow-Dannenberg. Bild: dpa

GÖTTINGEN taz | Erneuerbare Energie gab es schon in der "Republik Freies Wendland". Als hunderte Umweltschützer vor 31 Jahren im Gorlebener Wald ihr Protestdorf errichteten, durften neben Gärten, Gewächshäusern und Schweineställen auch ein mit Windkraft betriebener Tiefbrunnen und eine Solar-Warmwasseranlage nicht fehlen.

"Wir wollten auch zeigen, wie man es anders und besser machen kann", erinnert sich Lilo Wollny. Die 84-Jährige, die in der Küche der "Republik Freies Wendland" half, setzte sich von Beginn an dafür ein, das Wendland zu einer Modellregion für Alternativ-Energien zu entwickeln. Ein solches Vorhaben, mahnte Wollny, dürfe nicht an die großen Stromkonzerne delegiert werden.

Der Start in eine selbst organisierte atom- und kohlestromfreie Zukunft verlief zäh und holperig. Es dauerte noch bis 1996, als auf dem Jeetzeler Berg bei Lüchow die erste Bürger-Windkraftanlage namens "Wendolina" in Betrieb ging. Drei Jahre später formulierten Vereine und Bürgerinitiativen aus dem Wendland das Ziel, bis 2015 eine ausschließliche Stromversorgung durch regenerative Energien auf die Beine zu stellen.

"Es ging zuletzt aber alles viel schneller als gedacht", sagt die Vorsitzende des Vereins "Wenden-Energie", Sabine Carnap. Denn bereits jetzt kann sich das Wendland zu 100 Prozent mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen versorgen. Die im Landkreis Lüchow-Dannenberg aufgestellten Windräder, Fotovoltaik- und Biogasanlagen produzieren jährlich rund 300 Millionen Kilowattstunden Strom. Diese Menge entspricht etwa dem Stromverbrauch im Kreisgebiet, wie aus Zahlen des Versorgers Eon-Avacon hervorgeht.

Bioenergie, Solarstrom und Windkraft sind in den vergangenen drei Jahren rasant angewachsen. Ende 2010 waren im Kreis Lüchow-Dannenberg etwa 630 Fotovoltaikanlagen mit einer Leistung von zehn Megawatt, 24 Biogasanlagen mit 15 Megawatt sowie 71 Windkraftanlagen mit 108 Megawatt Leistung am Netz. Sabine Carnap weiß zudem von zwei kleinen Wasserkraftwerken, die in der Statistik noch gar nicht erfasst seien. Auch viele Einzelbeispiele lassen aufmerken. So werden zwei Drittel aller wendländischen Haushalte mit regional erzeugtem Strom versorgt. In dem Dorf Jameln gibt es eine Biogas-Tankstelle. In Püggen arbeitet eine Biogasanlage auf ökologischer Grundlage, die Häuser werden über ein Nahwärmenetz beheizt. In Gorleben produziert eine mittelständische Firma Energiezentralen für Biogasanlagen, die in der ganzen Welt zum Einsatz kommen. Die Dannenberger Grundschule heizt mit Holzhackschnitzeln, die aus Durchforstungsholz gewonnen werden.

"Wir haben es geschafft, neue Perspektiven und neue regionale Wertschöpfung in den Bereichen Strom, Wärme und Verkehr zu realisieren", sagt Ingenieurin Daniela Weinand vom Vorstand der Bioenergie-Region Wendland-Elbetal. Sie ist sicher, dass die 100-Prozent-Versorgung mit erneuerbarer Energie nicht nur für die Umwelt Vorteile bringt, sondern auch eine nachhaltige Entwicklungschance für "unseren ländlich geprägten Raum" ist. Die Stromrebellen sehen ihr Projekt auch als ein Beispiel für nachhaltige Kreislaufwirtschaft, durch die Geld in der Region bleibt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.