Frankfurter Buchmesse: Der Applaus der Narzissen

Buchmessen sind der Höhepunkt für alle Selbstverliebten. Gut, dass es Alkohol gibt und den Gedankenaustausch beim Empfang der Österreicher.

René Aguigah (rechts) diskutiert auf dem Blauen Sofa der Buchmesse mit Robert Menasse (links) und Daniel Cohn-Bendit. Bild: imago/Hoffmann

Nirgendwo ist der Grad an Narzissmus und Existenzialismus größer als auf einer Buchmesse. Wer hier nicht bereits in sein Spiegelbild verliebt ist, schreibt noch für eine Existenzberechtigung. Aber machen wir uns nichts vor. In Frankfurt wird derzeit mehr über Alkohol gesprochen. Und man ist dankbar, dass es ihn gibt, den Alkohol, weil man es hier sonst gar nicht aushalten würde.

Denn wo der Narziss ständig angehalten ist, höflich dem Existenzialisten und umgekehrt zu applaudieren, muss für Selbstvergessenheit gesorgt werden. Aber das bedeutet auch, dass kaum einer noch richtig hinhört.

Hier könnte nun auch die kulturpessimistische These folgen, dass der Inhalt vom Spektakel aufgefressen wird. Aber das ist langweilig. Und es hören ja noch welche hin. Am Mittwoch taten das die Österreicher, die Menschen aus ausgerechnet dem Land mit der exzessivsten Lust am Untergang, deren Kulturministerin jedes Jahr aus Angst, dass ihre wunderbaren Schriftsteller in der kulinarischen Wüste Deutschland verhungern, zum Empfang mit echtem Wiener Schnitzel und Kaiserschmarrn in die noble Villa Bonn lädt.

Der Mitherausgeber der österreichischen Literaturzeitschrift Wespennest, Walter Famler, hatte dort von einem kleinen Skandal zu berichten, von Arnold Schwarzenegger nämlich, dessen Auftritt anlässlich seiner Autobiografie für viel Aufsehen gesorgt hatte. Schwarzenegger hatte sich im Gespräch mit Dieter Mohr in einem Geschichtsrevisionismus geübt, den die Ohren der deutschen und sonstigen Anwesenden überhört hatten.

„Von Alliierten besetzt“

Arnie jedenfalls, den man bitte schön mit „Mister Governor“ anreden solle, wie es die Bodyguards wünschten, erzählte von einem einschneidenden Ereignis seiner Kindheit, das er „die Besatzung durch die Alliierten“ nannte. Famler bestand darauf, von einer Befreiung zu sprechen, was niemand so richtig zu verstehen schien oder eben nicht gehört hatte, jedenfalls schon gar nicht diskutieren wollte. Diesen Geschichtsrevisionismus betreibt Schwarzenegger seit Jahren. Aber in Frankfurt war man eher an der gebotenen Selbstdarstellung interessiert.

Der österreichische Schriftsteller Robert Menasse hingegen hatte einen gewichtigen Fehler bei Daniel Cohn-Bendit bemerkt, der wie er selbst gerade ein Buch zur Verteidigung der europäischen Idee veröffentlicht hat. Menasse echauffierte sich am späten Mittwochabend auf dem Empfang des Rowohlt Verlags über Cohn-Bendits Aussage, Demokratie sei eine Staatsform.

Das ist sie freilich nicht, sondern genau genommen ist sie eine Regierungsform innerhalb einer Staatsform, wie die Allgemeine Staatslehre lehrt. Was aber offensichtlich auch dem Lektor nicht aufgefallen war. Also macht es ja gar nichts, dass nun Bücher ganz ohne Lektor und Verlag digital veröffentlicht werden, was eine ARD-Nachrichtensprecherin als interessante Veränderung des Buchmarkts fröhlich zu verkünden hatte.

Auf dem Kritikerempfang des Suhrkamp Verlags in der Villa Unseld habe ich diesmal keine Österreicher getroffen. Aber ich habe mich gefragt, wie sie wohl die Lesung der Autorin Annika Scheffel kommentiert hätten, die in ihrem Roman eine Figur mit „rahmspinatgrünen Augen“ auftreten lässt. Vielleicht hätten sie gefragt, ob in den Achtzigern geborene Deutsche Spinat nur mehr als Rahmspinat kennen.

Stattdessen konnte ich dort wenigstens mit dem Zeit-Literaturkritiker Ijoma Mangold über eine zeitgemäße Modifizierung der Frage der analytischen Philosophie, ob man sich das Leben als Fledermaus vorstellen könne, nachdenken und über das Leben einer Waschmaschine im Zeitalter der Digitalisierung philosophieren. Ein ausbaufähiges Thema, wie ich finde. Und hinhören kann man bei der Waschmaschine ja auch.

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