Urteil in Polen: Schächten vorläufig verboten

Polens Verfassungsgericht verwirft die Regelung zur rituellen Schlachtung. Religionsgemeinschaften und spezialisierte Metzger sind enttäuscht.

Die rituelle Schlachtung erhitzt auch in Deutschland die Gemüter: Bild von einem Protest gegen Schächtungen, 2011 in Berlin. Bild: dpa

WARSCHAU taz | Die Stimmung nach dem Verbot ritueller Schlachtungen in Polen ist niedergeschlagen. „Ich war selten so niedergedrückt, wie in den letzten Tagen“, bekennt Piotr Kadlcik, der Vorsitzendes Jüdischen Gemeindebundes in Polen. „Diese hasserfüllte Atmosphäre nimmt einem schier die Luft zum Atmen.“

Dass Polens Verfassungsgericht nun das Schlachten nach jüdischen und muslimischen Vorschriften verboten habe, führt Kadlcik unter anderem auf eine Artikelserie in der ausflussreichen linksliberalen Gazeta Wyborcza zurück. „Von dieser Zeitung hätte ich zuallerletzt eine Kampagne im Stil des Nazi-Hetzblattes ’Der Stürmer’ erwartet“, klagt Kadlcik.

Bislang erlaubte eine Verordnung des polnischen Landwirtschaftsministers von 2004 das Schächten von Rindern, wie es die Koscher- und Halal-Vorschriften im Judentum und Islam vorsehen. In Polens Tierschutzgesetz von 1997 ist allerdings festgelegt, dass Tiere nur nach vorherige Betäubung geschlachtet werden dürfen.

Nach Beschwerden polnischer Tierschützer, für die die Tötung von Rindern durch einen einzigen Schnitt durch Luft- und Speiseröhre sowie die Halsschlagader und die Nerven zum Gehirn der Tierquälerei gleichkommt, überwies Generalstaatsanwalt Andrzej Seremet den Fall an das Verfassungsgericht Polens. Tatsächlich, so Richter Zbigniew Cieslak, konnte der Landwirtschaftsminister in seiner Verordnung lediglich die verschiedenen Formen der Betäubung regeln. Der Gesetzgeber hatte aber nicht vorgesehen, dass in einer Verordnung auch Ausnahmen vom eigentlichen Gesetz geregelt werden können.

Die Verordnung von 2004 sei daher verfassungswidrig, so Richter Cieslak. Zugleich machte er aber auch darauf aufmerksam, dass mit diesem Urteil nicht das Schächten an sich für verfassungswidrig erklärt werde. Es sei vielmehr Aufgabe des Gesetzgebers, also der polnischen Abgeordneten, nun eine Gesetzesnovelle zu verabschieden, die die von der Verfassung geschützte Religionsfreiheit und den Tierschutz in Einklang miteinander brächte. Die Verordnung werde daher erst am 31.12.2012 ungültig.

„Ich weiß nicht, wie es nun weitergehen soll“

Zwar tritt am 1. Januar 2013 eine EU-Regelung in Kraft, die das Schlachten von Tieren nach jüdischem und muslimischen Religionsvorschriften erlaubt, doch ist es jedem EU-Mitgliedsstaat vorbehalten, dieses EU-Recht zu übernehmen oder eine landeseigene Regelung zu finden. Zur Zeit ist Schweden das einzige EU-Mitglied, das das Schächten ausdrücklich verbietet. Außerhalb der EU sind es die Schweiz, Norwegen und Island.

„Ich weiß nicht, wie es nun weitergehen soll“, sagt Kadlcik. Die koscher geführten Küchen in den jüdischen Gemeinden könnten natürlich in Zukunft das Fleisch aus dem Ausland importieren, aber es gehe ja nicht um ein paar Kilo Fleisch pro Tag für die kleinen Gemeinden.

„Es geht ums Prinzip. Denn das Urteil 'Schächten ist grausam' ist schnell gefällt, dabei zeigen Forschungen, dass die eigentlichen Schmerzen und der Todesstress der Tiere bei der angeblich so humanen Betäubung vor der Schlachtung entstehen.“ In Polen sind zu diesem Zweck Bolzenschuss, Elektroschock und CO2 erlaubt. Im einen Fall röcheln sich die Tiere fast zu Tode, im anderen verlieren sie vor Schmerz das Bewusstsein.

Betroffen von dem Urteil sind in Polen nicht nur die kleinen jüdischen und muslimischen Gemeinden, sondern auch etliche Schlachtbetriebe, die sich auf den Export von rituell geschlachtetem Fleisch spezialisiert haben: 17 von insgesamt 801 Rinderschlachthöfen und 12 von insgesamt 194 Geflügel-Schlachtereien.

Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts triumphierte die Gazeta Wyborcza. Ihre Kampagne gegen das Schlachten nach jüdischen und muslimischen Religionsvorschriften war aufgegangen. Angesichts des „guten Geldes“, das die rituellen Schlächter in den letzten acht Jahren verdient hätten, sei das „Gerede“ vom Recht religiöser Minderheiten auf freie Religionsausübung „blanker Unsinn“.

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