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Sexuelle GewaltKirche bremst Missbrauchsaufklärung

Die Aufklärung der Fälle sexuellen Missbrauchs in Kirchen droht „an Zensur- und Kontrollwünschen“ zu scheitern. Nicht nur der beauftragte Kriminologe ist stinksauer.

Christian Pfeiffer, Direktor des kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) Bild: dapd

BERLIN dapd/dpa | Um die wissenschaftliche Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche ist heftiger Streit entbrannt, in dessen Folge das Projekt zu scheitern droht. Die Deutsche Bischofskonferenz und der von ihr mit der umfassenden Untersuchung beauftragte Kriminologe Christian Pfeiffer erheben schwere Vorwürfe gegeneinander.

Die Kirche stößt sich am Auftreten Pfeiffers und sieht das Vertrauensverhältnis als zerrüttet an, wie der Trierische Volksfreund berichtet. Noch ist das Aus der bereits 2011 abgekündigten Studie noch nicht besiegelt: „Ob mit Pfeiffer oder ohne, das Projekt läuft weiter“, sagte der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa. Beide Seiten haben sich bis Ende dieser Woche eine Frist gesetzt, um über den Fortgang der Studie zu entscheiden.

Das Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt (netzwerkB) hat die Position der katholischen Kirche bei der Aufarbeitung kritisiert. „Die Kirche ist noch nicht so weit sich zu öffnen“, teilte der Verband am Dienstag mit. Demnach berichteten verschiedene Quellen aus dem Umfeld der Vertragspartner von dem Scheitern der Studie im Auftrag der Kirche.

Zuvor hatte die Süddeutsche Zeitung in ihrer Onlineausgabe gemeldet, dass die Kirche einen Vertrag mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) kündigen wolle. Das Institut soll im Auftrag der Kirche eine Studie zu Missbrauchsfällen erstellen. Ein entsprechendes Schreiben des Verbandes der Diözesen Deutschlands als Vertreter der Bischöfe soll laut der Zeitung in diesen Tagen an das KFN gehen.

Dessen Direktor Christian Pfeiffer hatte die Kirche zuvor scharf kritisiert. Das Projekt sei „an den Zensur- und Kontrollwünschen der Kirche gescheitert“, sagte er dem Blatt. Die Kirche habe darauf beharrt, über die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse sowie über die Auswahl der beteiligten Wissenschaftler bestimmen zu dürfen.

Der Vorsitzende des Opferverbandes, Norbert Denef, erklärte derweil, dass das Prinzip der freiwilligen Selbstverpflichtung nicht greife. Er forderte eine gesetzliche Reform mit einer Anzeige und Meldepflicht von Missbrauch.

Entschädigung ja, Aufklärung nein?

2010 erschütterte das Bekanntwerden eines Missbrauchsskandals am Canisius-Kolleg in Berlin die Kirche. In den folgenden Wochen wurden es immer mehr, unter anderem auch im oberbayerischen Kloster Ettal und bei den Regensburger Domspatzen. Im Jahr 2011 wurde das KFN damit beauftragt, sexuelle Übergriffe an Minderjährigen durch Mitarbeiter der katholischen Kirche wissenschaftlich zu untersuchen.

Dabei sollen unter anderem Zahlen zu Missbrauchsopfern seit 1945 erarbeitet werden. Außerdem soll die Studie klären, wie die Kirche mit Tätern und Opfern umging. Das Projekt wird finanziert vom Verband der Diözesen Deutschland. Viele Fälle waren strafrechtlich verjährt.

Der Augsburger Bischof Walter Mixa bot nach Misshandlungsvorwürfen ehemaliger Heimkinder und zunehmendem öffentlichen Druck dem Papst seinen Rücktritt an, der dies akzeptierte. Mehrere Priester wurden beurlaubt oder in den Ruhestand versetzt, etwa in Würzburg und Köln. Das Bistum Trier entließ im Sommer 2012 sogar einen Priester wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern aus dem Klerikerstand. Das ist die kirchenrechtliche Höchststrafe.

Die Deutsche Bischofskonferenz ernannte den Trierer Bischof Stephan Ackermann zum Beauftragten für das Thema und beschloss neue Leitlinien. Eine Telefon-Hotline für Missbrauchsopfer und deren Angehörige wurde eingerichtet, Experten boten Betroffenen hier bis Ende 2012 Hilfestellung. Die Kirche entschädigte Hunderte Opfer mit bis zu 5.000 Euro, in Einzelfällen gab es auch mehr Geld.

Auch die evangelische Kirche geriet in den Sog des Skandals. Die Hamburger Bischöfin Maria Jepsen erklärte 2010 ihren Rücktritt, nachdem sie im Zusammenhang mit Vorwürfen gegen einen Pastor massiv in die Kritik geraten war. Zudem wurden sexuelle Übergriffe auf Schüler an der weltliche Odenwaldschule im hessischen Heppenheim bekannt.

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14 Kommentare

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  • S
    Sabine

    @ John Rambo: "glückwunsch an alle kirchensteuerzahler die das finanzieren." Leider ist dem nicht so! Die Kirchen werden in Deutschland von ALLEN Steuerzahlern finanziert, aus dem großen allgemeinen Steuertopf! Ausnahmslos JEDER, ungeachtet seiner Religion und Weltanschauung, ist gezwungen, für diese Leute zu zahlen: ihre Gehälter,ihre stattlichen Pensionen, die sog. kirchlichen Einrichtungen, die ebenfalls vom Staat (!) zu 97 % finanziert werden. Das gibt es nur in Deutschland, in keinem anderen Staat. Wie lange sich die Deutschen das noch gefallen lassen?

  • S
    Synoptiker

    Pädokriminelle Theologen und Mitarbeiter in den Kirchen sind ein Problem des Staates, nicht der Kirchen, weil der deutsche Staat den Kirchen die Erlaubnis zum Betreiben von Kitas, Kindergärten, Schulen etc. überantwortet.

    Es ist eine Schande für alle Eltern, wenn sie dieser Kirche alles passiv nachsehen, nichts unternehmen aber dennoch ihre Kinder anvertrauen. Man kann statistisch nachlesen, dass die Kirchen immer weniger Kirchenbesucher und Mitglieder aufweisen, andererseits aber immer mehr Kitas, Kindergärten und Schulen eröffnen. Für dieses Missverhältnis ist allein der Staat verantwortlich! Wo sind die Parteien, die hier ordnungspolitisch eingreifen. Völlig grotesk werden die Zustände in Deutschland, wenn man aufzeigt, dass die Kirchen alles in allem nur bis zu 3 Prozent eigenes Geld zum Unterhalt der Einrichtungen beisteuert. Alles andere zahlt der Staat mit unseren Steuergeldern. Wo bleibt hier der Widerstand in der Bevölkerung?

  • A
    apropos

    Kann mal jemand die andere Blase anstechen? Sexueller Mißbrauch in Sportvereinen.

    Ich warte.

  • M
    Manni

    Gegenvorschlag: Die Jugendämter beauftragen diese Studie über sich selbst und zu sämtlichen Organisatinen, die in ihrem Auftrag arbeiten, Opferorganisationen inklusive.

     

    Das Problem an der Studie ist, dass mit dem Thema auch schon die Verantwortung fest geschrieben ist, und es so scheint, als sei das ein kirchliches Problem.

    Die katholische Kirche hat Opfer zumindest symbolisch "entschädigt", also Verantwortung, so es überhaupt möglich ist, übernommen.

     

    Und die Anderen? Staatliche Heime und Schulen? Jugendämter, die von Gewalt auf jeder Ebene wissen, aber aus ideologischen oder sonstigen Gründen nicht handeln, und zwar bis zum heutigen Tag?

     

    Wieso muss eigentlich ein Hr. Pfeiffer eine Studie schreiben, wenn es Aufgabe der Jugendämter, und übrigens auch laut GG "die Gesellschaft" ist, über die Erziehung der Kinder zu wachen?

     

    Leute, glaubt Ihr, dass heute in Heimen, die überwiegend kommerziell betrieben werden (7.000 Euro pro Kind und Monat), alles easy ist? In Altenheimen gibt es eine unabhängige Heimaufsicht, in Heimen für Kinder und Jugendämter ist das auch weiter nicht nötig?

  • B
    Blacky

    Ich bin da zwiegespalten:

    Pfeiffer, sein "kriminologisches Forschungsinstitut", seine Geltungssucht und seine Methoden sind mir aus anderem Zusammenhang wohl bekannt, von daher kann ich die Vorbehalte der kath. Kirche verstehen.

    Ich könnte mir gut vorstellen, daß er selber Absprechen bricht, um sich zu produzieren und sich undd sein Institut wieder einmal in die Schlagzeilen zu bringen.

     

    Man sollte auch nicht vergessen, daß der Kirche die Reaktion auf die Kündigung der Vertrages wohlbewußt gewesen sein muß.

    Trotzdem diesen Schritt zu gehen und das derzeitige PR-Desaster in Kauf zu nehmen, spricht eher für die Argumente dder KK als dagegen.

     

    Wäre ein anderes Institut involviert gewesen, hätte ich in den Reigen miteingestimmt, aber wenn der Name Christian Pfeiffer fällt, lohnt es sich, genauer hinzuschauen.

  • NF
    Norbert F. Schaaf

    Man muss und kann sich dann halt woanders informieren, was natürlich nicht so öffentlichkeitswirksam ist wie das Ergenis einer seriösen Studie. Bedauernswert sind die Opfer sexueller Gewalt (nicht nur aus Kirchenkreisen, die prozentual sogar recht unterrepräsentiert sind), freilich auch alle, denen bis heute die Aufklärung auch darüber vorenthalten wird, wie die zugrundeliegenden Schriften wirklich entstanden sind und die Irrtümer darin, die Fälschungen, die Falschübersetzungen, die Fehlinterpretationen usw. usf. @weingraefin

  • D
    Doroina

    Zur Erinnerung: DIE KATHOLISCHEN BISCHÖFE (!!!) haben Herrn Pfeiffer beauftragt. So sie nicht alle völlig debil sind, muss ihnen erstens klar gewesen sein, wer Herr Pfeiffer ist, und zweitens ist anzunehmen, dass ein so renommierter Forscher das Profil der Studie von Anfang an offengelegt hat. Jedenfalls tat er das in einem Interview mit domradio.de (!!) am 13. Juli 2011:

     

    In neun Diözesen sollte eine gründliche Aktenanalyse durch Juristen (ehemalige Richter und Staatsanwälte) erfolgen. Außerdem sollten „sehr gründliche Täterinterviews“ durchgeführt werden, sofern die Täter bereit seien, zu sprechen. Zudem sollte es eine „sehr tiefgehende Erforschung dessen, was den Opfern zugemutet wurde, wie die Kirche mit ihnen umgegangen ist, was im Einzelnen die Täter mit ihnen gemacht haben, wie das beendet wurde, ob Gewalt im Spiel war usw.“ geben. Auch das Präventionskonzept der RKK sollte auf den Prüfstand.

     

    Hierin – also in den Forschungsbereichen – sind die Gründe für das Scheitern der Studie zu sehen, nicht in der Person Pfeiffer oder seiner (vermeintlichen) „Forschheit“! Es ist ein Unding, wie die RKK wieder in bekannter Manier die Tatsachen verdreht, um selbst besser dazustehen, bzw. das eigene Mäntelchen weiß zu waschen.

     

    Schon vor Wochen brüsteten sich auf einer katholischen Internetseite Pfarrer damit, dass die Studie „gestorben“ sei. Und zwar, weil zahlreiche Pfarrer (vielleicht gerade die, die etwas zu verbergen haben?) sich gegen die von ihren Bischöfen abgesegnete Einsicht in ihre Akten wehrten. DAS ist der eigentliche Grund, warum diese Studie nicht zustande kam.

     

    Klar ist: Die Studie IST gescheitert. So wie sie angekündigt wurde (und sich die DBK darin anfangs gesonnt hat) wird sie nicht durchgeführt. Der Trick (der RKK) mit dem „wir tauschen nur den Studienleiter aus“ dient nur erneut der Täuschung der Öffentlichkeit. Sich als die „Guten“ präsentieren, darin war sie schon immer gut, die RKK.

  • M
    Martin

    Eine reine interne Aufklärung? Wie bei der Hotline, also nur die Tätergruppe unter sich. Wertlos

  • JR
    John Rambo

    Na ja,

     

    die jesus jünger hatten vielleicht eine falsche vorstellung.

     

    wahrscheinlich dachten die das es so wie beim beichten läuft:

     

    sünden anonym beichten und 3 vater unser beten und alles ist vergeben...

     

    das die ergebnisse veröffentlicht werden sollen passt denen wohl nicht.

     

    immer schön vertuschen und verschweigen so mogelt man sich 2000 jahre lang durch. glückwunsch an alle kirchensteuerzahler die das finanzieren.

     

    mein regelmässiger klau von teelichtern in der kirche ist da geradezu lobenswert

  • WB
    Wolfgang Banse

    Die Kirchen nier die Katholische und die Evangelische täten gut daran im Bezug auf die Glaubwürdigkeit und Aufrichtigkeit lückenlos die Missbrauchsfälle auf zu decken.Das Vertrauen in die Instituin Kirche ist schon längst verloren gegangen.Glaube Ja,Kirche Nein dies ist das Fazit und dies wird sich noch mehr verfestigen.

  • K
    kroete

    Der Vatikan hält so einiges unter Verschluss, der Schatten einer kriminellen Vergangenheit ungern zu Tage gefördert werden will, ist die Gegenwart ebenso wenig sonnendurchflutet.

    Da ist sexuelle Gewalt eine schändliche Facette der katholischen Kirche samt ihrer Einrichtungen, bleibt Homosexualität ein weiteres Reizthema.

    Übrigens ist die hotline für Opfer sexueller Gewalt zwischenzeitlich mangels Meldungen wieder eingestellt worden, dürfte ein Bischof Ackermann noch lange mit diesem Sumpf beschäftigt sein.

    Solange ein Papst seine schützende Hand über die Täter hält, wähnen diese sich in Sicherheit.

    Dass im Vatikan mafiöse Strukturen herrschen, zeigt, daß aktuell nur noch Barverkehr erlaubt ist, da man sich dort ebenso wenig an europäisches Bankenrecht halten möchte, seine montetären Geschäftspraktiken auch gerne verdunkelt.

  • L
    lowandorder

    Der - " Trierische Volksfreund".

    Da sachste was. Noch immer fällt in Trier

    kein Sack Reis um, ohne daß der Trierer Bischof

    da nicht seine Griffel dran hätte.

     

    Und - Christian aus Hannover!?

    ja, der andere!

    Der! - Christian Pfeiffer - schon klar, mit dem ist bekanntlich

    schlecht Kirschen essen.

    So what?

     

    Riecht alles nach einer abgefuckten kirchlichen

    Public-relation-show:

    " seht her, wir tun was!

    leider, leider aber können wir derart unsachliches, abgefeimtes

    in den Schmutz ziehen der alleinseeligmachenden Kirche Roms

    nicht zulassen. - Schnüff, schnüff - Krokodilstränensee!"

  • EL
    Ernst Lehmann

    Es zeigt sich immer wieder überall, dass Datenschutz die Aufklärung behindert. Also schnell Datenschutz aufweichen, Unschuldvermutung abschaffen und insbesondere jeden katholische Priester als potentiellen Verbecher behandeln!

  • I
    irmi

    Die Kirche ist so unermesslich reich, da kann sie gerne zahlen. Mit Geld lässt sich so eine Schweinerei gut vertuschen. Oder kann man damit sein "Gewissen ?" beruhigen ?.

    Das die Kirche das Vertrauen vieler "Gläubigen" verloren hat ist nur zu verständlich, wenn man ihnen Kinder anvertraut, die man dann missbraucht. Es gibt sicher noch sehr viel mehr Kinder die sich aus Scham nicht melden.

    Die Kirchen müssen alles offen legen, wenn nicht anders möglich per Gericht. Die müssen wohl was zu verbergen haben, sonst würden sie sich nicht so verhalten.

    Die Täter sind auch nur Männer, man soll das Zölibat auflösen, dann gibt es keinen Kindesmissbrauch mehr (ist zu hoffen).