Verbände ringen um Pflegebericht: Streit um Demenzpatienten

Ärger im Pflegebeirat der Bundesregierung: Ein Bericht zur Versorgung von Demenzkranken könnte das Expertengremium sprengen.

Gesundheitsminister Daniel Bahr hat Stress mit der Pflegepolitik Bild: dpa

BERLIN taz | Der Pflegebeirat der Bundesregierung steht vor einer Zerreißprobe. Wohlfahrtsverbände und Arbeitgebervertreter drohen mit dem Ausstieg – wenige Tage bevor das Expertengremium am Donnerstag seinen Abschlussbericht zur Besserstellung von Demenzkranken in der Pflegeversicherung an den Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) übergeben will.

Grund für die Empörung sind die Angaben zum künftigen Finanzvolumen der Pflegeversicherung. Diese seien zuvor nicht mit dem Beirat abgesprochen worden, sondern „eigenmächtig“ von den beiden Vorsitzenden Wolfgang Zöller (CSU) und Klaus-Dieter Voß in den Berichtsentwurf hineinredigiert worden, kritisierten mehrere Beiratsmitglieder gegenüber der taz.

Tatsächlich heißt es in der Zusammenfassung zu den „zentralen Empfehlungen“ des Berichts: „Bei Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und unter Berücksichtigung des gegenwärtigen Leistungsniveaus […] ergäben sich für die leistungsrechtliche Umstellung auf das neue System Mehrausgaben von ca. 2 Mrd. Euro pro Jahr.“

„Für uns ist das ein absolutes No-go“, sagte der Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Werner Hesse, der taz. „Wir machen unsere Zustimmung davon abhängig, dass dieser Passus wieder verschwindet.“

Mehrausgaben von 6 Milliarden Euro

Der Paritätische Wohlfahrtsverband hatte sich zuletzt für Mehrausgaben von 6 Milliarden Euro jährlich ausgesprochen, was einer Anhebung der Beitragssätze um etwa 0,6 Prozentpunkte entspräche. Nur so könne man auch den Bedürfnissen von Demenzkranken gerecht werden. Derzeit greift die Pflegeversicherung nur bei körperlichen Defiziten. Arbeitgebervertreter dagegen pochen auf Kostenneutralität.

Ein Sprecher des Beiratsvorsitzenden Zöller sagte, die zwei Milliarden Euro seien „keineswegs neu“, sondern allen im Beirat bekannt. Es handele sich um die Mehrkosten, die entstünden, wenn man das derzeitige Leistungsniveau auf die neue Personengruppe der Demenzkranken erweitere. Zöllers Sprecher versicherte, „bis Montagmorgen, 11 Uhr“ würden „Änderungswünsche entgegengenommen und erneut zur Abstimmung gestellt“.

Der Bericht gilt als Messlatte für Daniel Bahrs Pflegepolitik. Der Bundesgesundheitsminister hatte das Expertengremium im März 2012 eingesetzt, um auf der Grundlage eines umfangreichen Vorläuferberichts konkrete Umsetzungsvorschläge zu erarbeiten, wie Demenzkranke endlich bessergestellt werden können im Leistungsrecht. Inzwischen ist klar, dass der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff wider alle Versprechen in dieser Legislaturperiode nicht mehr wird umgesetzt werden können.

Die Wohlfahrtsverbände indes sind es leid, dem Gesundheitsminister bei dessen Gesichtswahrung zu helfen. Korrigiert werden müssten neben den Angaben zum Finanzvolumen auch „Formulierungen, die als Verschiebungen von der Krankenversicherung zur Pflegeversicherung gedeutet werden können“.

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