Netzrückkauf in Hamburg: Das Ende der Energiekonzerne?

Die Hamburger haben gegen Vattenfall gestimmt. Auch Eon könnte es ähnlich ergehen. Und die Berliner wollen ihr Stromnetz auch zurück.

Nicht mehr so lukrativ: Vattenfall-Kohlekraftwerk in Jänschwalde Bild: reuters

BERLIN taz | Vattenfall hat in Deutschland nach Jahren der Traumrenditen wenig zu lachen. Nach der Niederlage in der Abstimmung um die Hamburger Energienetze ist der Konzern als Betreiber zumindest infrage gestellt. Und das nach Atomausstieg und katastrophalen Halbjahreszahlen mit Abschreibungen in Höhe von 3,4 Milliarden Euro. Und auch einem zweiten Konzern droht ein lukratives Geschäft wegzubrechen. Eon könnte das Gasnetz der Stadt verlieren.

Für beide Konzerne wäre damit ein Teil der wenigen einigermaßen stabilen Geschäfte in Deutschland weggebrochen. Vattenfall musste den Wert seiner Steinkohlekraftwerke in Deutschland bereits im ersten Halbjahr 2013 um 120 Millionen Euro nach unten korrigieren.

Eon klagt, mit seinen fossilen Kraftwerken kein Geld mehr zu verdienen – allerdings sind die Bilanzen für einzelne Kraftwerke nicht öffentlich. Als Grund geben die Konzerne die niedrigen Preise an der Strombörse an. Außerdem sind die Kraftwerke nicht ausgelastet: Erneuerbare Energien genießen Vorrang, die Stromnachfrage sinkt vor allem in Südeuropa, wegen der Wirtschaftskrise in der EU.

Berlin: Die nächste wichtige Entscheidung, ob eine privatisierte Energieversorgung wieder in die öffentliche Hand überführt werden soll, fällt in der Hauptstadt, wo der Berliner Energietisch einen Volksentscheid am 3. November durchgesetzt hat.

Sonst wo: Überall in Deutschland laufen Konzessionen für lokale Stromnetze aus. Viele Kommunen wollen sie zurück: Zwischen 2007 und 2012 wurden 60 Stadtwerke gegründet, mehr als 170 Stromnetze bereits rekommunalisiert, ebenso Gas- und Fernwärmenetze sowie Wasserbetriebe.

Der Betrieb von Energienetzen dagegen bringt stabile Einkommen: Die Bundesnetzagentur setzt für die Konzerne Renditen fest. Die sinken zwar, trotzdem verfügen Eon oder Vattenfall mit ihren Strom- und Gasnetzen über natürliche Monopole. Wollen andere Marktteilnehmer die Infrastruktur nutzen, dürfen die Konzerne, staatlich reguliert, die Gebühren so gestalten, dass sie eine festgesetzte Rendite erzielen.

Verlust der Netze ein herber Verlust

Das war auch ein Argument der Initiative „Unser Hamburg – unser Netz“: Die Gebühren werden am Ende von den Hamburger Kunden bezahlt. Warum soll das Geld einem schwedischen Konzern zugute kommen statt den Bürgern selbst? Bis zu 100 Millionen Euro jährlich könne die Stadt so verdienen, versprachen die Befürworter einer Übernahme der Netze. Die Hälfte könne Hamburg zugute kommen, mit der anderen Hälfte könnte der Kredit zum Kauf der Netze und genutzt und die Zinsen gezahlt werden.

Auch für Eon wäre ein Verlust der Netze ein herber Verlust. Es gehört zur Konzernstrategie, das Erdgas-Geschäft auf allen Wertschöpfungsketten zu betreiben: von der Förderung über den Transport in Tankern oder Pipelines, dem Betrieb in lokalen Verteilnetzen wie in Hamburg bis zum Verkauf an die Endkunden.

Ein eigenes Stadtwerk

Am 3. November könnte es für Vattenfall zu einer weiteren Niederlage kommen: Dann stimmen die Berliner in einem Volksbegehren darüber ab, ob die Stadt verpflichtet werden soll, ein eigenes Stadtwerk aufzubauen. Zudem soll sich der Senat dafür einsetzen, dass die Stadt die Konzession für den Betrieb des eigenen Stromnetzes von Vattenfall erhält. Mindestens 625.000 BürgerInnen müssten dem Vorhaben zustimmen.

Die Initiatoren des Berliner Energietisches versprechen sich so eine ökologischere und sozialere Energieversorgung. Mehr als bewerben kann sich die Stadt aber nicht. Das Verfahren wird unter anderem von der Bundesnetzagentur überwacht, der Zuschlag könnte – wie in Hamburg auch – trotz aller Abstimmungen wieder an Vattenfall gehen.

Trotzdem freut sich Stefan Taschner, Sprecher des Berliner Energietisches, „für unsere Freunde aus Hamburg, die sich gegen eine heftige und zum Teil polemisch geführte Gegenkampagne durchgesetzt haben“. Die Abstimmung sei auch in wichtiges Signal für Berlin.

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