Parteitag der AfD: Außen hui, innen pfui
Die rechtspopulistische AfD wird immer salonfähiger. Doch in der Partei tobt ein Machtkampf. Am Wochenende wird das Europaprogramm diskutiert.
KÖLN/BERLIN taz | Es ist Dienstagnachmittag, die Bundeszentrale für politische Bildung lädt im Kölner Maternushaus zum Schlusspodium ihrer Tagung über Rechtspopulismus in der EU: „Europa! Welches Europa?“
Auf dem Podium sitzen der frühere CSU-Ministerpräsident Günter Beckstein, der FDP-Europa-Spitzenkandidat Alexander Graf Lambsdorff, der Linken-Stratege André Brie, die SPD-Europaministerin in NRW Angelica Schwall-Düren, Günter Burkhardt, Bundesgeschäftsführer von Pro Asyl. Und Bernd Lucke, Chef der Alternative für Deutschland (AfD), der deutsche Rechtspopulist.
Wie er sich Europa in zehn Jahren vorstelle, fragt die Moderatorin. „Mehr demokratische Kontrolle“, sagt Lucke. „Stärkere Bürgerbeteiligung, verbindliche Regulierungen der Banken.“ Burkhardt von Pro Aysl greift ein: Dass er hier „mit jemanden sitze, der Migranten als Bodensatz bezeichnet“, sei problematisch. Er wolle nicht in einem „nationalen, homogenen Staat“ leben. „Rechtspopulismus ist keine Alternative für Europa.“ Lucke schießt zurück.„Die Parteivertreter, die hier sitzen, sind doch diejenigen, die das Asylrecht massiv eingeschränkt haben.“
Die Sozialdemokratin Schwall-Düren will keine Einschränkung beim Asyl, aber „eine geordnete Zuwanderung nach Kriterien“. Lucke hakt dazwischen: „Sie wollen also eine Kontingentierung der Einwanderung? Willkommen in unserer Partei!“
Ziel erreicht
Anderthalb Stunden geht das so weiter: Lucke attackiert, pariert Kritik. Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale, begründet die Einladung von Lucke damit, dass eine überparteiliche, „kontroverse“ Diskussion zur Europapolitik angeregt stattfinden sollte. „Dieses Ziel sehen wir erreicht.“ Mitdiskutant Brie findet zwar, dass dieser Rahmen angemessen gewesen sei, warnt aber davor, der AfD nun selbstverständlich Podien zu öffnen.
Gut ein Jahr ist die AfD alt, 18.000 Mitglieder stark. In Umfragen vor der Europawahl liegt die AfD bei 6 Prozent – vor der FDP, knapp hinter der Linken. Der Parlamentseinzug in Brüssel ist sicher. Bei der bayrischen Kommunalwahl vor einer Woche gelangte sie in mehrere Parlamente: zwei Sitze in München, vier in Augsburg, zwei in Ebersberg. Im Herbst werden die Landtage in Thüringen, Sachsen und Brandenburg folgen.
Die AfD gehört vorerst zur politischen Realität. Der Auftritt Luckes in der Bundeszentrale aber zeigt, dass eine Frage ungeklärt ist: Wie umgehen mit der neuen Rechtsaußenpartei?
Drei Optionen gibt es. Erstens: ignorieren, wie CDU und SPD. Zweitens: übertönen, wie CSU-Mann Beckstein, der in Köln den Parteislogan „Wer betrügt, der fliegt“ bemüht und betont, Griechen oder Bulgaren keinen Zugang zum deutschen Sozialsystem gewähren zu wollen. „Pfui!“, ruft ein Zuhörer.
Auf allen Kanälen
Drittens: die Sache ausdiskutieren. Nicht nur bei der Bundeszentrale in Köln, auch in TV-Talkshows lief Lucke zuletzt auf allen Kanälen: Hahne, Plasberg, Maischberger, Friedmann. Hauptsache „kontrovers“. Alle drei Wege haben nicht verhindert, was lange in Deutschland undenkbar erschien: die Etablierung einer rechtspopulistischen Partei, die bundesweit vor Parlamentseinzügen steht.
Rechtspopulisten? Lucke weist den Begriff von sich. Am Wochenende will die AfD ihren Kurs bestimmen: In Erfurt wird sie auf einem Parteitag ihr Europaprogramm beschließen. Und das spricht eine deutlichere Sprache.
Es brauche einen „geordneten Ausstieg aus dem Einheitseuro“, heißt es im Programmentwurf – der AfD-Klassiker. Die Partei fordert aber auch ein „größeres Gewicht“ Deutschlands in der EU. Zuwanderer ohne „ausreichende Mittel“ müssten „in ihre Heimat zurückkehren“. Jede Förderung, jedes „Aufzwingen“ von Gender Mainstreaming sei einzustellen. Und vor jedem EU-Beitritt müsse es eine Volksabstimmung geben – in Deutschland.
Immer offener wird mit anderen Rechtspopulisten geflirtet. Kommende Woche lädt die AfD-Jugend Nigel Farage nach Köln, den Chef der ultrarechten britischen Ukip-Partei. Ein Affront. Parteichef Lucke hatte die Ukip bisher als nicht vermittelbar bezeichnet und sich für ein Bündnis mit den Tories ausgesprochen.
Kritik von der Basis
Inzwischen regt sich auch in der Partei Kritik. „Gehören liberale Eurokritiker noch in die AfD?“, fragt der früherer NRW-Landessprecher Alexander Dilger. Der Freiburger AfDler und Geschichtsprofessor Ronald Asch bemerkt „Tendenzen zur Selbstradikalisierung“, seine Partei gerate „in Schieflage“.
Das gilt inzwischen auch für die innerparteiliche Organisation. In Erfurt will AfD-Chef Lucke eine neue Satzung verabschieden. Laut der soll es künftig keine Dreierspitze, sondern nur noch einen Chef geben. Wer, scheint klar: Lucke. Auch wären Vorstandsmitglieder leichter absetzbar. Und den dreizehnköpfigen Bundesvorstand dürfte künftig nur noch einer erweitern: der Parteivorsitzende.
Mehrere Landesverbände rebellieren. AfD-Pressesprecher Christian Lüth verteidigt den Plan: Die Partei sei stark gewachsen. „Wir brauchen eine Struktur, die dieser Realität auch entspricht.“ In der Basis überwiegt das Misstrauen. NRW-Mann Dilger nennt die Satzung eine „Katastrophe und einer demokratischen Partei unwürdig“. Fieberhaft überarbeitete ein Parteikonvent zuletzt den Entwurf.
Was bleibt, ist ein paradoxer Befund. Im Inneren driftet die AfD immer weiter gen rechts außen. In der Öffentlichkeit aber schleicht sich die Partei ins Gesellschaftsfähige.
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