Aufarbeitung des NSU-Terrors: Ländle bekommt Enquetekommission

Endlich wollen sich Baden-Württembergs Abgeordnete mit dem NSU auseinandersetzen. CDU und FDP hätten gerne auch Linksextremismus thematisiert.

Der NSU mordete auch im Schwabenland: Auf der Heilbronner Theresienwiese starb die Polizistin Michelle Kiesewetter. Bild: dpa

STUTTGART taz | Am Morgen vor der Landtagsdebatte hatte der SPD-Abgeordnete Nikolaos Sakellariou diese Nachricht gehört: Ein 18-Jähriger mit türkischen Wurzeln war in Schwetzingen von fünf Tätern geschlagen und schwer verletzt worden, einer der kahlgeschorenen Männer soll einen Button mit Hakenkreuz getragen haben. Solche Fällen zeigen für Sakellariou, wie dringend etwas gegen die erstarkende rechte Szene im Land getan werden müsste.

Seine Fraktion und die der Grünen haben am Mittwoch mit ihrer Mehrheit im Landtag von Baden-Württemberg eine Enquetekommission „Rechtsextremismus/NSU“ beantragt und eingesetzt. Die CDU stimmte dagegen, die FDP enthielt sich.

Obwohl sich alle Fraktionen einig waren, dass die Aufarbeitung des NSU-Terrors keinen Streit vertrage, fochten sie dennoch einen aus. Knackpunkt war die Forderung der Opposition, dass sich die Enquete-Kommission nicht nur mit Rechts-, sondern auch mit Linksextremismus und islamisch motivierter Gewalt beschäftigen solle. „Wenn es um Unterwanderung staatlicher Strukturen geht, liegt es auf der Hand, dass es um jede Art von Extremismus gehen muss", sagte der CDU-Parlamentarier Volker Schebesta (CDU).

Ein Änderungsantrag der CDU mit diesem Inhalt wurde jedoch abgelehnt. Das sprenge den Rahmen der Enquete-Kommission, entgegnete der grüne Landtagsabgeordnete Daniel Lede-Abal. Laut ihm wollen die Grünen in der Kommission die Rechte Szene analysieren und überlegen, wie die Zivilgesellschaft gestärkt und die Polizei für den Kampf gegen Rechts effektiver aufgestellt werden könne.

Nur in die Vergangenheit

Der FDP-Abgeordnete Ulrich Goll kritisiert, für eine zugespitzte Beschäftigung nur mit Rechtsextremismus, „hätte man konsequenterweise einen Untersuchungsausschuss wählen müssen.“ Ein solcher war ursprünglich mehrfach aus den Reihen der Grünen gefordert worden. Dass er zu einem späteren Zeitpunkt nötig sein könnte, schließt die Partei des Ministerpräsidenten nicht aus. Momentan gilt er aber als unpraktikabel.

Die Generalbundesanwaltschaft hat ihre Ermittlungen noch nicht abgeschlossen, in München läuft noch immer der NSU-Prozess. Eine Akteneinsicht sei entsprechend schwer, ein Fortkommen nicht zu erwarten, heißt es auch von der CDU. In einem Untersuchungsausschuss würden die Ermittlungsergebnisse der Behörden erneut aufgerollt und auf Ungereimtheiten untersucht. Der Untersuchungsausschuss richtet den Blick zurück. Er hat einen eng gefassten, sogenannten Untersuchungsauftrag. Seine Mitglieder sind ausschließlich Landtagsabgeordnete.

Eine Enquete-Kommission ist dagegen in der Regel neben Abgeordneten auch mit Experten zum Thema besetzt. Der Blick ist eher in die Zukunft gerichtet, das Arbeitsfeld weitergefasst. Wer in der baden-württembergischen Enquete-Kommission sitzt, wird Mitte Mai festgelegt. Die CDU deutete an, sie werde die Betrachtung aller Extremismusformen dort allein vorantreiben. Man werde aber konstruktiv in der Enquete-Kommission mitarbeiten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Mit der taz Bewegung bleibst Du auf dem Laufenden über Demos, Diskussionen und Aktionen gegen rechts.

Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.