US-Trainer Jürgen Klinsmann: Mr Fantastic

Er ist ein Revolutionär. 2006 hat Jürgen Klinsmann den Fußball in Deutschland umgekrempelt – nun macht er das Gleiche in den USA.

Kein Freund des Kompromisses: Jürgen Klinsmann. Bild: ap

SALVADOR taz | Jürgen Klinsmann ist ein Möglichkeitsmensch, und als solcher sagt er, wenn er von Amerikanern gefragt wird, wie es ihm denn gerade gehe: „I’m fantastic.“ Fantastisch, großartig, super. Klinsmann, der das US-Soccer-Team seit 2011 trainiert und damit nach langer Zeit, 16 Jahren, wieder mal ein Europäer ist, der das Amt übernommen hat, ist amerikanischer als so mancher Amerikaner.

Aber den amerikanischen Fußball, der für Klinsmann zu amerikanisch ist, möchte er europäisieren. Das heißt: Er möchte ihn klinsmannisieren. Der Schwabe mit dem Wohnsitz in Kalifornien ist ehrgeizig bis in die letzte Faser. Er ist kein Mann des Kompromisses. In einem Porträt, das 2006 in der Zeitschrift Cicero erschien, hieß es: „Das ist so ein Typ, der Schrauben in dich reindreht.“

Die Wurstigkeit, die sich teilweise im amerikanischen Fußball- und Verbandswesen breitgemacht hatte, die Selbstgenügsamkeit und Zufriedenheit mit mäßigen Leistungen ist Klinsmann ein Graus. Er will wieder mal Revolution spielen, so wie er das schon gemacht hat, als er die Leitung der deutschen Nationalmannschaft übernahm und Grundlagen schuf, die noch heute wirken.

Die DFB-Elf des Jahres 2014 steht auf einem Fundament, das Klinsmann seinerzeit errichtete. Das betonen derzeit alle, die man fragt: Oliver Bierhoff, Jogi Löw und Philipp Lahm. Viele fanden damals seinen Ansatz gewagt und sein Selbstbewusstsein hypertroph, doch das Sommermärchen nahm seinen Lauf – und Klinsmann anschließend umjubelt Abschied.

Der teutonisierte Fußball

Nur die Episode beim FC Bayern München kratzte mächtig am Image des Machers und Gestalters. Von seinem misslungenen Engagement blieb nicht viel mehr als die Erinnerungen an Buddha-Statuen in der Säbener Straße, die fragwürdige Kurzverpflichtung Landon Donovans und ein Uli Hoeneß, der ihn nach der Entlassung sogar als „Feind“ bezeichnete.

Die Kollision der Superegos hatte Klinsmann nicht heil überstanden. In Übersee konnte er freilich in Ruhe arbeiten. Wenn ihn der frühere US-Coach Bruce Arena kritisierte, er teutonisiere den amerikanischen Soccer, dann war das allenfalls ein laues Lüftchen im Gegensatz zu den Stürmen beim FC Bayern München.

Ein Beweis seiner neu gewonnenen Selbstsicherheit war auch, dass er den US-Soccer-Veteranen Landon Donovan nicht mehr in den Kader der WM-Mannschaft berief, sondern junge Spieler wie Julian Green vom FC Bayern. Kein Wunder auch, dass er einem Reporter von der New York Times verriet, den WM-Titel realistischerweise nicht gewinnen zu können, aber wer weiß, vielleicht gehe ja etwas, deutete Klinsmann verschwörerisch an.

Und tatsächlich: Vor dem letzten Vorrundenmatch gegen die Deutschen am Donnerstag in Recife ist die Ausgangslage gut für die US-Amerikaner, mit vier Punkten aus einem Unentschieden gegen Portugal und einem Sieg gegen die starken Ghanaer. Wenn es ganz dumm kommt, dann könnte Klinsi seinen einstigen Assistenten Jogi sogar aus dem Turnier kicken. Dafür müsste allerdings die DFB-Mannschaft hoch verlieren und Ghana oder Portugal in der Parallelpartie hoch gewinnen.

Die „Schande von Recife“?

Wegen der einstmals engen Bindungen vermutet man nun, es finde eine Verabredung statt wie weiland zwischen Deutschland und Österreich in Gijon. Eine ziemlich absurde Annahme, denn Klinsmann möchte natürlich als Sieger vom Platz gehen: „Wir sind voller Selbstvertrauen und hungrig“, sagt er, „wir fordern euch heraus, wir wollen gewinnen, wir setzen euch unter Druck.“

Etwas weniger verbissen kontert Löw: „Wir beide waren ab 2004 ein Supergespann, haben uns super ergänzt. Jetzt wissen wir beide, es geht für unsere Mannschaften um sehr viel.“

So ein Spiel gebe es vielleicht nur einmal im Leben, glaubt Jürgen Klinsmann. Entsprechend streberhaft geht er in die Partie, die sicherlich „fantastic“ wird. Super. Großartig.

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